Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
rasender Geschwindigkeit um sich. Aber Mao erhielt weiterhin Berichte, in denen es hieß, die Frühjahrsknappheit in Henan und Hebeimonati sei gestoppt, auch sei die Abwanderung von Bauern aus Shandong zum Stillstand gekommen und die Fälle von Wassersucht gingen zurück. [763] Der Aktenvermerk Maos dazu: »Mehr Gurken und Gemüse pflanzen, darauf achten, dass es etwas zu essen gibt, und sparsam damit umgehen, wer ruht, weniger essen, wer arbeitet, mehr.« [764]
Am 26. Oktober 1960 bekam Mao Material zu Gesicht, in dem davon die Rede war, dass im Gebiet von Xinyang mehrere zehntausend Menschen verhungert seien, was er nur flüchtig mit ein paar Zeichen kommentierte: »Liu Zhou soll sich das heute noch anschauen, wir sprechen am Nachmittag darüber, was zu tun ist.« [765] Mit den Ereignissen in Xinyang ging er um wie mit irgendeinem anderen bei der Arbeit auftauchenden Problem. Wieder hat er in der Getreidefrage nicht nachgegeben.
Die Getreideankaufquoten und das an die Bauern rückverkaufte Getreide lagen 1958 bis 1959 um 22,32 Prozent höher als im Vorjahr. Als die Hungersnot 1959 in ihrer ganzen Breite sichtbar wurde, stiegen die Ankaufquoten weiter, während die Menge des an die Bauern rückverkauften Getreides nur wenig zunahm. Das heißt auch, dass in dem Jahr zwischen 1959 und 1960, in dem die Hungersnot flächendeckend ausbrach, der Staat nicht nur keinerlei Beistand leistete, sondern aus den ländlichen Gebieten zusätzliche 6,756 Milliarden Pfund Getreide zog. Den Bauern die Lebensmittel aus dem Mund zu nehmen, war keine einfache Aufgabe, weshalb es auch zu den blutigen Tragödien im Rahmen der Kampagne gegen die Verheimlichung und private Abzweigung von Erträgen kam, von denen hier schon die Rede war. Erst im Herbst 1960 konnte man nicht mehr anders und musste die Ankaufquoten senken. In dem Erntejahr 1960/1961 sank sie auf 78,084 Milliarden Pfund, das war ein Rückgang um 43,36 Milliarden, aber auch die Rückverkaufsmengen gingen um 16,44 Milliarden Pfund zurück, so dass die Last, die die Bauern zu schultern hatten, nur um 26,92 Milliarden Pfund zurückging.
Tab. 12.1
Staatlicher Ankauf und Rückverkauf während der Hungersnot
(Einheit: Marktgetreide in 100 Mio. Pfund)
1957 – 1958
1958 – 1959
1959 – 1960
1960 – 1961
1961 – 1962
Ankauf in den ländlichen Gebieten
920,11
1125,44
1214,29
780,84
679,14
Rückverkauf in den ländlichen Gebieten
419,66
505,19
526,48
362,08
268,45
Quelle: »Übersicht über die Getreidedokumente des Planungsbüros im Nahrungsmittelministerium«, 25. August 1962.
Im Januar 1960, als die Bauern in Massen vor dem Hungertod standen, hat das Zentralkomitee nicht nur nicht daran gedacht, die Speicher zu öffnen und Getreide auszugeben, im Gegenteil, man hat bewusst die staatlichen Getreidereserven weiter aufgestockt. In einem mit entsprechenden Vermerken vom Zentralkomitee weitergeleiteten Bericht des Nahrungsmittelministeriums heißt es: »Auf der Basis eines weiteren Sprungs in der Getreideproduktion ist eine allmähliche weitere Aufstockung der staatlichen Rücklagen nicht nur notwendig, sondern auch möglich.« [766]
1960, dem Jahr, in dem am meisten Menschen verhungert sind, hatte der Staat noch Getreidereserven von mehreren zehn Milliarden Pfund, aber die Speicher wurden nicht auf breiter Front geöffnet und es wurde kein Getreide ausgegeben.
Aus der Tabelle 12.2 über die Reserven in den staatlichen Speichern geht hervor, dass in der Umgebung von Speichern, die mit mehreren zehn Milliarden Pfund Getreide gefüllt waren, zig Millionen Menschen verhungert sind. Zwischen April 1959 und April 1960 sind die meisten Menschen verhungert. In dieser Zeit stiegen die Reserven in den Speichern auf 88,703 Milliarden Pfund (Anfang 1958), und noch der niedrigste Wert vom Mai 1960 weist 28,622 Milliarden Pfund aus.
Tab. 12.2
Reserven in den staatlichen Getreidespeichern während der Hungersnot
(Einheit: Marktgetreide in 100 Mio. Pfund)
1957 – 1958
1958 – 1959
1959 – 1960
1960 – 1961
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