Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
an die Haushalte wurde auch als »Verantwortungsfelder« bezeichnet.
Aber diese Überantwortung bedeutete Familienbewirtschaftung, sie zerstörte das Prinzip der kollektiven Gemeinschaftsbewirtschaftung, der Kollektivarbeit und der gemeinschaftlichen Verteilung, weswegen sie als kapitalistischer Weg angesehen wurde. Um das Ernährungsproblem zu lösen, haben einige Gebiete die verschiedensten Formen dieser Überantwortungspolitik betrieben; sieben von zehn Haushalten nahmen an ihr teil. Im Mai 1962 bestanden Liu Shaoqi und Deng Xiaoping darauf, dass es landesweit mindestens 20 Prozent aller Haushalte sein sollten. [746]
Dennoch war diese Politik den Idealen der Kommunistischen Partei diametral entgegengesetzt. 1956, drei Jahre vor der Hungersnot, hatte die Provinz Zhejiang mit ähnlichen Formen experimentiert. Damals hatte Mao Zedong die Auffassung vertreten, »die Überantwortung der Produktion an die Haushalte ist ein Richtungsproblem«. Die Kader, die für die Experimente verantwortlich waren, wurden zu Rechtsabweichlern gestempelt. [747] Während der drei Jahre der Hungersnot war das wirksamste Mittel zur Rettung aus der Krise die Überantwortung der Produktion an die Haushalte. Aber das war eine Rettungsmaßnahme, die von den Massen selbst kam, den örtlichen Behörden blieb nichts anderes übrig, als das Ganze »mit einem Auge zu beobachten und das andere Auge zuzudrücken«.
1959 wurde aufgrund der Tatsache, dass Mao wie das Zentralkomitee die Schwere der Hungersnot unterschätzten, die Überantwortungspolitik, die gerade erst angefangen hatte zu greifen, mit aller Macht unterdrückt. Am 2. November 1959 veröffentlichte die Renmin ribao einen Artikel, in dem es hieß, »die Überantwortung an die Haushalte ist ein giftiges Kraut, das mit den Wurzeln ausgerissen werden muss!«
Am 2. Dezember des gleichen Jahres veröffentlichte die Guangming ribao einen Beitrag mit dem Titel: »Die Überantwortung der Produktion an die Haushalte ist ein Programm rechter Opportunisten zur Restaurierung des Kapitalismus in den ländlichen Gebieten«.
Am 13. Oktober 1959 drückte das Zentralkomitee es folgendermaßen aus: »Die vollständige oder teilweise Überantwortung des bäuerlichen Lebens oder der Produktion an die Haushalte ist in Wirklichkeit ein gegen den Weg des Sozialismus gerichteter kapitalistischer Weg; wo solche Meinungen und Aktivitäten vorkommen, müssen sie grundsätzlich bloßgestellt und verurteilt werden.« [748]
Am 12. Oktober 1959 gab das Zentralkomitee einen Bericht heraus, in dem es Geng Qichang und Wang Huizhi aus der Provinz Henan kritisierte; sie hätten, hieß es,
»die Ausrichtung des Arbeitsstils und die Arbeits- und Produktionsaufträge dazu benutzt, ein sogenanntes Verantwortungssystem für Landsegmente voranzutreiben, das Land neu zu vermessen und Grenzmarkierungen festzulegen, das alles mit dem Ziel, Boden, Vieh, Ackergerät, Arbeitskraft etc. in die Hand der Familien zu legen, wo unter Anleitung der Familienoberhäupter gearbeitet werden solle; sie preisen die Privatbewirtschaftung mit Slogans wie ›überall sind Menschen, aber keine Massen‹. Sie wollen die Volkskommunen, die ›erstens groß, zweitens Kommune‹ sind, zurückschrauben zu ›erstens kleinen und zweitens privaten‹ Einheiten der Einzelbewirtschaftung oder der Nachbarschaftshilfe. Hier wird mehr als deutlich, dass die rechten Opportunisten grundsätzlich gegen das Wesen und die Eigenart der Volkskommunen sind, nämlich die Kooperationierung der Landwirtschaft und den Weg des Sozialismus. Dieses Denken spiegelt sich direkt in den Forderungen eines Teils der reichen und oberen Mittelbauern. Aber am Ende wollen sie nichts anderes als den Weg des Kapitalismus einschlagen. Sie versuchen, den Kapitalismus in den ländlichen Gebieten zu restaurieren, […] was faktisch eine Widerspiegelung des gegen Partei und Volk gerichteten bürgerlichen Denkens innerhalb der Partei ist. […] Diesem Denken gegenüber muss von den Parteikomitees in den Regionen entsprechendes Mustermaterial herausgesucht werden, Parteimitglieder und Kader müssen organisiert werden, die üble Fratze der rechten Opportunisten bloßzustellen und zu verurteilen, […] um so die Umsetzung der Generallinie und des sozialistischen Aufbaus durch die Partei zu garantieren.« [749]
Am 15. Oktober 1959 verschickte das Zentralkomitee einen Bericht, in dem es »die ungesunde rechte Tendenz, die in den Monaten Mai, Juni und Juli aufgekommen
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