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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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zu starten«, um »mit entschiedenen Maßnahmen das Ausfuhrproblem zu lösen.« [768]  
    Um den Bauern das letzte Stückchen Brot aus dem Mund zu zerren, kam es überall zu Übergriffen. Als im April 1960 in der Volkskommune Löwe in Sichuan Hühner und Eier aufgekauft wurden, gab es Pro-Kopf-Quoten, ganz gleich, ob jemand Hühner hatte und ob diese Eier legten. Wem man keine Hühner und Eier abnehmen konnte, der bekam in den Volksküchen nichts zu essen.
    Das Kommunemitglied He Zhiguo hatte keine Eier, die er hätte abliefern können, also wurde seiner siebenköpfigen Familie das Essen vorenthalten. Daraufhin lieh sich seine Mutter bei Verwandten sechs Eier, lieferte sie ab und sie bekamen wieder zu essen. Neben dem Essensentzug wurde die Nichterfüllung der Eierquote auch mit Verboten bestraft – so durfte man dann keine Artikel des täglichen Bedarfs wie Salz, Petroleum und Zigaretten mehr kaufen.
    Es gab Kader von Verkaufsgenossenschaften und Produktionsteams, die zur Erfüllung der Hühner- und Eierankaufquote mitten in der Nacht bei den Kommunemitgliedern auftauchten, ihnen die Hühner gewaltsam wegnahmen und die Menschen in Panik versetzten. [769]  
    1959 haben die Organisationen des Handelsministeriums ihre Ausfuhrquoten in Höhe von 3,03 Milliarden Yuan erfüllt. Das waren 110,8 Prozent des Exportsplans und eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 28,9 Prozent. Darunter war der Export von 233000 Tonnen Schweinefleisch der höchste seit Gründung der Volksrepublik; die 20000 Tonnen tiefgekühltes Lamm- und Rindfleisch waren 125 Prozent des Exportplans; frische Eier wurden über 52 Millionen Pfund, gefrorene Eier 6208 Tonnen exportiert; lebendes Geflügel 9,54 Millionen Stück, tiefgefrorenes Geflügel 7022 Tonnen. Außerdem kamen noch 102000 Tonnen Äpfel und 91000 Tonnen Mandarinen in den Export. [770]  
    Zwischen dem 7. und dem 17. Januar 1960 leitete Mao Zedong eine Konferenz des erweiterten Politbüros, wobei er weiter ins Horn des Großen Sprungs nach vorn blies: »Seit der Lushan-Konferenz ist alles sehr effektiv, die Produktion steigt Monat für Monat. Wie es aussieht, werden wir in diesem Jahr zumindest nicht schlechter dastehen als im vergangenen, vielleicht sogar noch etwas besser.« [771]  
    Die Konferenz vertrat die Auffassung, 1960 werde wieder ein Jahr eines Großen Sprungs sein; die Produktionsmenge für Stahl wurde auf 18,40 Millionen Tonnen festgelegt, für Getreide auf 600 Milliarden Pfund. Innerhalb von acht Jahren sollten die vier Modernisierungen im Grunde abgeschlossen sein. Gleichzeitig wollte man im gleichen Zeitraum den Übergang zum Volkseigentum geschafft haben. Die Konferenz forderte des Weiteren einen Ausbau der Kantinen und Pilotprojekte für eine Ausweitung der Volkskommunen auf die Städte.
    Nach der Konferenz wurden landesweit Großprojekte in Bereichen wie Industrie, Wasserbau, Kantinen und Schweinezucht angeschoben. Einige ursprünglich reduzierte Aufbauprogramme wurden erneut auf die Tagesordnung gesetzt, die »fünf Winde« nahmen erneut schlimm überhand. [772]  
    Als im Juli die sowjetischen Experten abgezogen wurden, musste man, um es den »Sowjetrenegaten« zu zeigen, zähneknirschend »beim Stahl gut abschneiden«. Die Stahlproduktion von 18 Millionen Tonnen war nicht mehr genug, es mussten 20 Millionen Tonnen sein. Außer dem Stahl verharrten auch andere Planvorgaben in der Industrie unter dem Einfluss des Kampfes gegen rechte Tendenzen auf einem sehr hohen Niveau. Überall im Land wurde gebaut. Als man 1961 gezwungen war, von diesem Zug abzuspringen, blieben überall halbfertige Projekte zurück.

Die Verantwortung wird auf Naturkatastrophen und die Sowjetunion abgewälzt
    Aber wie sollte man die Millionen Hungertoten vor der Geschichte erklären? Die Machthaber wälzten die Verantwortung ab, auf Gott im Himmel. Am 1. Oktober 1960 hieß es im Leitartikel der Renmin ribao zum Nationalfeiertag: »In den vergangenen beiden Jahren wurden weite Teile des Landes wiederholt von schweren Naturkatastrophen heimgesucht.«
    Im Januar 1961 betonte das Zentralkomitee mit noch größerem Nachdruck den Einfluss der Naturgewalten: »Nach den schweren Naturkatastrophen von 1959 kam es auch 1960 zu Naturkatastrophen, wie es sie seit hundert Jahren nicht mehr gegeben hat.« Anschließend war in offiziellen Dokumenten, in den Reden von Führungspersönlichkeiten und in den Nachrichtenmedien einmütig nur noch von »Naturkatastrophen« die Rede. Aber auf

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