Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Arbeiter eingesetzt.
1959 waren es bereits elf großdimensionierte Staudammprojekte, dazu kamen ein paar Dutzend mittelgroße Projekte. Alles zusammen überschritt die damalige Leistungsfähigkeit der Provinz, was Kapital und Arbeitskräfte anging, bei weitem.
Die wissenschaftliche Haltung wurde ersetzt durch »den Mut zur Vision und den Mut zum Handeln«. Für die Projekte von Zhaopingtai und Yahekou war auf einmal nur noch ein Jahr Bauzeit eingeplant, in Wahrheit zog sich deren Fertigstellung bis zum Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre hin. Davon abgesehen wurde in der Zeit des Großen Sprungs nach vorn in Henan auch noch der Kommunistische Kanal gebaut (zwischen November 1957 und Juli 1958), der laut Propaganda 10 Millionen Mu Felder bewässern können sollte, in Wirklichkeit aber nur 12000 Mu mit Wasser versorgen konnte und später komplett zur Fehlkonstruktion erklärt wurde. Der von Lankao und Shanqiu gebaute Große-Sprung-Kanal des Volkes von Sanyisai (von März 1958 bis August 1958) sollte nach Plan die alten Flussarme des Huanghe nutzen und 4 Milliarden Kubikmeter Wasser speichern, ein Ziel, das ebenfalls nicht erreicht wurde. Im November 1959 zogen bei dem Schlüsselprojekt von Huayuankou in Zhengzhou am Ufer des Huanghe 130000 Wanderarbeiter in den Kampf, ein Projekt, das zwar Anfang 1960 fertiggestellt wurde, aber aufgrund von Planungsfehlern musste die Talsperre gesprengt werden.
Ähnliche Bewässerungsprojekte gab es jede Menge, aber sie alle entwickelten nicht die nötige Effizienz. Aufgrund des Zwangs zu einer ruckartigen Vergrößerung der bewässerten Flächen zog Henan eine Menge Wasser aus dem Huanghe ab, was zu einer ernsten Verschlimmerung der Übersalzung der Felder führte.
Von 1958 bis 1959 wurden in den Flachlandgebieten von Henan zudem rücksichtslos künstliche Kanäle angelegt, mit denen versucht wurde, die Flusssysteme des Haihe, des Huaihe, des Hanjiang und des Huanghe miteinander zu verbinden; außerdem wurden zusätzlich in großem Stil Bewässerungssysteme in Form von »Kürbissen an langen Ranken« gebaut. Man hat in der Ebene sogar Erde aufgehäuft, um Wasser zu speichern. Das nannte sich »ein Stück Erde gegenüber einem Stück Himmel«. Aber unter der blinden Führung waren die Blaupausen oft noch nicht da und die Wanderarbeiter schwangen schon den Spaten. So wurden die beiden Stauseen am Tempel des Eisernen Buddha und bei Baigouchong ohne entsprechend planende Führung zu einem Großstaudamm zusammengefügt, der bei dem plötzlich niedergehenden Unwetter am 17. Mai 1960 brach, wobei annähernd 2000 Menschen ertrunken sind.
Die Bauern bei den Wasserbaustellen bekamen in den ersten beiden Monaten auch noch etwas zu essen, nach dem Oktober 1958 bis 1959 und sogar bis 1960 sind sie grundsätzlich mit leerem Magen ihrer schweren Arbeit nachgegangen. Die Kader auf diesen Baustellen haben die Bauern nach Belieben beschimpft, geschlagen und ruiniert. Zahllose starben infolge des Hungers oder der Misshandlungen. Allein bei den drei großen Wasserbauprojekten im Kreis Gushi verhungerten über 17000 Menschen. Beim Bau des Kanals des Kommunismus in der Yubei-Region im Norden von Henan kamen infolge des Hungers und der Misshandlungen ebenfalls sehr viele Menschen ums Leben. [81]
Die »Satelliten« – ein Unglück für die Bauern
Auf einer Konferenz vom 8. bis zum 26. März 1958 in Chengdu machte Wu Zhipu einen Vorschlag, in welcher Zeit die Vorgaben erfüllt werden sollten, was im Vergleich zu dem vom Provinzkomitee im ersten Monat nach dem chinesischen Kalender beschlossenen Zeitrahmen eine enorme Beschleunigung bedeutete. Er hatte Mao Zedong versprochen, Henan könne binnen vier Jahren den Schritt vom System des Kollektiveigentums zum System des Volkseigentums machen.
Am 20. März sagte Mao Zedong: »Henan hat vorgeschlagen, binnen einem Jahr eine Ernte von vier-, fünf- und achthundert Pfund [82] Getreide pro Mu Ackerboden Wirklichkeit werden zu lassen, das Bewässerungssystem abzuschließen, die vier Plagen abzuschaffen und das Analphabetentum zu beseitigen – vielleicht ist ja einiges davon zu erreichen […] man sollte Henan für dieses Experiment ein Jahr geben. Wenn Henan sich geschickt anstellt, dann werden wir die Kampagne, den Großen Sprung nach vorn, im nächsten Jahr in allen anderen Provinzen wiederholen, wenn nicht sogar noch besser.«
Weiter sagte er, wenn diese vier Modernisierungen innerhalb eines Jahres Wirklichkeit würden, »dann
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