Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
womöglich mit großen Mängeln, wenigstens aber mit unfertigen Arbeiten und mit zu großem Druck für die Massen.«
Im Verlauf der Konferenz sagte Mao Zedong: »Die Wasserbauarbeiten in Henan sind ein Kampf zweier Linien.« Die von Mao Zedong festgelegten Zahlen lagen um das 2,4fache über den realen Quoten des Jahres 1957. Natürlich hat auch Mao Zedong mehrfach seiner Besorgnis über die hohen Quoten in der Provinz Henan Ausdruck gegeben, aber er hat doch Wu Zhipu mehr ermutigt als kritisiert. [83]
Im April erhöhte Wu Zhipu die Quote für die Gesamtgetreideproduktion auf 27,5 bis 30 Milliarden Pfund und strebte einen Abschluss der Bewässerungsarbeiten innerhalb von drei Jahren an. Daraufhin verbreitete sich diese Form der Windbeutelei rasch in der gesamten Provinz.
Ihren Anfang nahm sie mit der Sommerernte von 1958. Chen Shijun, der Leiter der Produktionsbrigade Hanlou in der Volkskommune »Satellit« am Chaya-Berg im Kreis Suiping, und Zao Yuwo, die Leiterin der Frauenbrigade, und ein paar andere betrieben ein Versuchsfeld von 2,9 Mu Größe, auf dem der Weizen tatsächlich nicht schlecht stand. Als die Ernte bevorstand, rief der Leiter der Volkskommune sie alle zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen: »Von oben hat uns die Anweisung erreicht, dass wir als ›Satellit‹ eine Rekordernte machen sollen. Wir seien die erste Volkskommune des Landes, der Einfluss auf das In- und Ausland wäre sehr groß. Wäre es da in Ordnung, wenn wir keinen ›Satellit‹ starten würden? Nur wenn ein solcher Rekordernte-Satellit sich in die Lüfte erhebe, werde man die Überlegenheit der Volkskommunen zeigen können.«
Die Volkskommune schlug eine Mindesternte von 3000 Pfund pro Mu vor, aber in der Vergangenheit hatte man nur knapp mehr als 100 Pfund pro Mu erzielt und alle waren der Meinung, dass die Zahlen zu hochgegriffen seien. Daraufhin sagte der Leiter der Volkskommune: »Dann sollen sich alle etwas überlegen, man darf die Hoffnungen der Partei niemals enttäuschen!« Was man sich überlegte war, dass man den Weizen von 10 Mu drosch, ein wenig als Saatgut zurückbehielt und nach oben einen Pro-Mu-Ertrag von 3530 Pfund meldete. [84]
Am nächsten Tag, dem 12. Juni 1958, stand in der Renmin ribao die Meldung:
»Die Volkskommune Satellit hat den zweiten Satelliten abgefeuert: Auf einem Mu wurden 3530 Pfund Weizen produziert.
Nachdem die Nachricht durch das ganze Land gegangen ist, dass das zweite Produktionsteam der Landwirtschaftskommune Satellit auf fünf Mu Boden einen Durchschnittsertrag von 2105 Pfund Weizen erzielt hat […], haben am Zehnten zwei Teams der ersten Produktionsbrigade auf 2,9 Mu Boden einen Gesamtertrag von 10238,6 Pfund Weizen erzielt. Das ist ein Durchschnittsertrag von 3530,75 Pfund […], das ist mehr als das Dreifache des Ertrages des letzten Jahres. Das Wunder dieser Rekordernte […] ist auf einem Versuchsfeld für Weizen herangezüchtet worden. […] Als am Zehnten der Weizen von den 2,9 Mu gedroschen wurde, wurden der Dreschvorgang, das Worfeln und Wiegen auf der Tenne von Mitgliedern des Kreiskomitees von Suiping kontrolliert […] außerdem waren mehrere Dutzend Mitglieder der Volkskommune zugegen. Nach dem Dreschen ist die Produktionsmenge mehrfach gemessen worden. Die Felder wurden mehrfach abgemessen, die Zahlen sind absolut zuverlässig.«
Fang Huang, die Autorin des Berichts, erinnerte sich in einem Gespräch mit dem Verfasser dieses Buches:
»Ich bekam die Anweisung, zu dieser Volkskommune hinauszufahren und zu hören, was die Führungsgenossen aus dem Kreis zu den 3585 Pfund pro Mu in der Volkskommune sagten – halb bezweifelten sie die Zahlen, halb schenkten sie ihnen Vertrauen. Vor Ort habe ich tatsächlich recht große Weizenbehälter gesehen und ich war auch dabei, als das Ganze von den Führungsleuten vom Kreis und den Gemeinden gewogen wurde – doch auch wenn ich innerlich Zweifel hatte, wagte ich es doch nicht, diesem Zweifel Ausdruck zu verleihen, also »erstattete ich wahrheitsgemäß Bericht«. Wie hätte ich auch ahnen sollen, dass das Ganze Betrug war! Als Reporter in einem solchen System bleibt einem nichts als Scham und Bedauern.«
Fang Huang sagte ständig zu mir, sie trage dafür die Verantwortung und sie bitte das Volk um Verzeihung. In der Tat musste jeder, der wie sie irgendwohin geschickt wurde, entsprechend schreiben, sonst hatte er keine Arbeit mehr.
Der Leitartikel, mit dem die Renmin ribao die Meldung begleitete, malte das
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