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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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unterstellt war), um Menschenleben zu retten. Der Leiter der Produktionsbrigade Liu Tingjie führte sie zu dem Dörfchen Wangjiazhuang, wo sie sahen, dass in einem Haus der Kamin rauchte – was man damals fast nirgends mehr sah. Als sie hineinkamen, sahen sie, dass irgendetwas in einem Topf köchelte, und als sie den Deckel hochhoben, sahen sie, dass es Menschenfleisch war – er erinnerte sich, dass die Frau, die da Menschenfleisch aß, stumpfäugig war (das war der Dialektausdruck für Menschen, die schlecht sahen oder blind waren). Jing Gennian sagte mit Nachdruck: »In dem Topf war ein Arm, an dem die Hand noch dran war. Erst als wir die Hand sahen, begriffen wir, dass es sich um ein Kind handelte.«
    Später kam er auch zur Volkskommune Xiangnan, wo ihnen der Brigadeleiter Dong Xiaoyuan erzählte, eine Frau namens Cai Donghua habe Menschenfleisch gegessen. Wie es der Zufall wollte, haben sie diese Frau getroffen. Sie hatte rotunterlaufene Augen, ihr waren sehr schlimm die Haare ausgegangen, sie hatte nur noch Stoppeln auf dem Kopf, ein grauenhafter Anblick. Auch sie hatte ihr noch keine fünf Jahre altes Töchterchen gegessen. Als sie gefragt wurde, warum sie das getan habe, sagte sie, sie habe schrecklichen Hunger gehabt.
    Damals war dieser Fall von Kannibalismus kein Einzelfall. 1980 hat die Nachrichtenagentur Neues China einige Journalisten nach Tongwei geschickt, wo sie in der Volkskommune Longyang von einem Sekretär Wang erfuhren: »In den drei schweren Jahren hat eine Frau in meinem Dorf, die noch keine dreißig war, das Fleisch ihrer Töchter gekocht und gegessen. Als ihr Mann aus Xinyang zurückkam und seine Töchter suchte, haben die Leute im Dorf sie alle in Schutz genommen und das Ganze vertuscht, denn es war überall im Dorf zu Kannibalismus gekommen. Damals waren die Leute wahnsinnig vor Hunger, sie sind mit Körben losgezogen und haben nachgeschaut, ob an den Leichen in den Straßengräben noch Fleisch war, das man essen konnte. Das wurde abgeschnitten und mit nach Hause genommen.«
    Sekretär Wang war damals bei den Arbeiten zur Umleitung des Tao dabei. Als er nach Hause kam, waren seine Frau, seine Schwester und seine drei Kinder verhungert. [134]  
    Der alte Kader Zhang Dafa war einer der Verfasser der »Kreisannalen von Tongwei«, er konnte die historischen Materialien zu Tongwei einsehen. Ich schlug vor, er solle das Material so bald als möglich sichern. Er hat dann später ein Buch geschrieben: Der Goldbrückenweg ist überlaufen , in dem er Material aus erster Hand zusammengetragen hat. Hier einige Auszüge:
»In Zhuxi und Mingli im Produktionsteam Zhujiaxia haben sie im Gras und an den Feldrainen Mäuse gefangen, heimlich Menschenfleisch gefressen, später dann haben sie ein Wespennest gekocht und sich tödliche Vergiftungen zugezogen.
In einer vierköpfigen Familie waren die Kinder bereits verhungert, übrig waren die Großmutter, die Schwiegertochter und eine Enkelin. Eines Tages ist auch sie gestorben und als ihre junge Mutter sie tot im Hof liegen sah, erstarrte sie – sie hatte nicht die Kraft zu weinen und sie hatte auch keine Tränen mehr. Die Großmutter kroch aus dem Haus, schleppte den Leichnam des Mädchens, der hart und ausgedörrt war wie ein Holzscheit, in den Hinterhof. Nach einer Weile kam die junge Mutter hinzu und entdeckte, dass sie das Kind bereits zerteilt und in einen Topf gesteckt hatte. Später dann hat die Großmutter doch nicht weiterleben können, wahrscheinlich waren ›ihre Sünden zu schwer‹.
Lu Nianzu selig, ehemals Arzt in einem Krankenhaus für chinesische Medizin im Kreis Tongwei, sagt in seinen Erinnerungen: Im letzten Monat nach dem Bauernkalender im Jahr 1959 sei er mit seiner Tante und deren Tochter zum Wassergraben gegangen, um Menschenfleisch abzukratzen. Am Anfang hätten sie auch noch eher etwas erbeutet, aber später seien zu viele dorthin gekommen. Wenn man eine Leiche gefunden habe, habe man das gleich mit mehreren gerecht teilen müssen. Eines Tages habe seine Mutter ein menschliches Bein gekocht und habe es seinem Onkel, ihrem Mann, der schon in den letzten Zügen lag, vorgesetzt, aber der habe es nicht heruntergebracht und ihr mit der Hand ein Zeichen gegeben, dass sie das wegbringen soll. Aber seine Tante sei kaum aus dem Zimmer gewesen, als ihr ein paar Hungernde, die der Fleischgeruch angelockt hatte, auch schon alles weggefressen hätten. Ein paar Tage später sei seine Tante spurlos verschwunden gewesen. In einer Grube hinter

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