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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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und lautstark. Das half gegen Phobie-Schübe jedweder Art, auch wenn es merkwürdig aussah.
    Jetzt wurde auch der Schulbub aufmerksam, sah erst Alfie an, schaute sich dann um, merkte, dass er mit dem Verrückten allein war, sprang auf und eilte ebenfalls in den nächsten Waggon.
    Man durfte wohl sagen, dass Alfie an jenem trüben Nachmittag zur österreichisch-deutschen Freundschaft nicht wirklich beitrug.
    Nächster Halt: Seefeld in Tirol, next stop: Seefeld in Tirol , säuselte die Stimme vom Band.
    Gottseidank, lebend am Ziel. Dem Sensenmann erneut von der Schippe gesprungen.
    Er richtete sich auf, ignorierte die entsetzten Blicke und das Wispern der Mitreisenden beim Aussteigen und verließ mitsamt seinem Einkaufstrolley den Zug.
    Angekommen!

3
Seefeld – Perle Tirols
    Seefeld in Tirol, 1200 Meter über dem Meeresspiegel. War hier die Luft nicht schon spürbar dünner?
    Alfie atmete tief ein und aus und ein, verschluckte sich an der kalten Luft und hustete sich fast die Lunge aus dem Leib. Wenigstens war der Würgereiz weg. Es gab keine Tiefen mehr, nur Höhen – schneebedeckte Gipfel in der Ferne. Das Karwendelgebirge. Was Alfie nicht wusste und auch nicht aus dem Namen des Zuges, in dem er eben noch gesessen hatte, schloss. Dem Karwendelgebirge war das ohnehin schnurzegal, es wusste ja, wie es hieß, und das reichte ihm.
    Alfie zog die Windjacke enger um seine Schultern.
    Es war September, aber der goldene Herbst hatte Seefeld an diesem Mittag weiträumig umgangen und amüsierte sich an der Côte d’Azur oder an der Algarve, aber jedenfalls nicht in Tirol. Der Himmel war grau und gelegentlich nieselte es kalt aus ihm heraus, so auch in dem Moment, als Alfie aus dem Zug stieg.
    Der Wind blies eisig. Alfie wurde klar, dass seine dünne Windjacke über dem karierten Flanellhemd ihren Namen nur pro forma trug und definitiv nicht ausreichen würde, um ihn auf Dauer warm zu halten und ihn vor dem Wind zu schützen. Er fror ja jetzt schon, nach nicht einmal neunzig Sekunden im Freien.
    Idylle ging anders.
    Andererseits: Schön war er schon, der erste Blick auf die weißbemützten Gipfel rund um Seefeld und auf das pittoreske Städtchen, das sich rund um den Bahnhof ausbreitete. Der Bahnhof, extra für die olympischen Winterspiele 1976 erbaut, wie auf einem Schild zu lesen stand, hatte allerdings nur bedingt Charme. Egal , dachte Alfie und ruckelte mit seinem Einkaufstrolley los, beurteile nie einen Ort nach seinem Bahnhof. Das war in seiner Heimatstadt nämlich ganz genauso.
    Er marschierte durch die Unterführung, tauchte auf der anderen Seite wieder auf, stieg die wenigen Stufen zur Bahnhofstraße hinunter, überquerte den Zebrastreifen und befand sich damit gewissermaßen schon fast im Ortskern.
    Den Ort an sich hatte er sich zugegebenermaßen anders vorgestellt. Mehr so ... keine Ahnung, glamouröser. Nein, mondäner. Wie ein Abziehbild aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die Frauen noch toupierte Haare und Echtpelzmäntel hatten und die Männer Brillantinefrisuren und Zigaretten im Mundwinkel. Nun ja, willkommen in der Realität.
    Alfie spazierte durch die Bahnhofstraße, an diversen Boutiquen und am Casino vorbei, zum Dorfplatz mit der Kirche. Doch, doch, sehr knuffig und vor allem sehr gepflegt. An ausnahmslos jedem Balkon befanden sich Blumenkästen, in denen es grünte und blühte. Alfie kannte sich mit der Flora nicht sonderlich gut aus, aber er wusste den Gesamteindruck dennoch zu schätzen. Allerdings froren die Blumen bestimmt auch, ebenso wie er.
    An der Ecke, an der Bahnhofstraße, Dorfplatz und Münchner Straße aufeinandertrafen, befand sich das Gebäude mit der Kanzlei Resnik, Rinnerthaler & Suss.
    Die, so stand es auf dem Messingschild neben der Tür zu lesen, zwischen 13 und 15 Uhr geschlossen hatte.
    Es war 13 Uhr 20.
    Eine Weile stand Alfie wie ein begossener Pudel im Nieselregen. Unentschlossen. Unentschlossenheit machte einen ganz großen Teil seiner Persönlichkeit aus. Unentschlossenheit und mangelnde Planung.
    Jeder normale Mensch hätte sich telefonisch angemeldet. Was Alfie versäumt hatte. Jeder normale Mensch hätte sich zudem gedacht, dass so eine Testamentsverlesung sicher ihre Zeit dauern würde, und hätte ein Zimmer in einer Pension gemietet.
    Aber Alfie hatte nichts geplant und nichts gedacht, er war ja schließlich auf der Flucht. Doch selbst ohne aktivierten Fluchtmodus wäre er bestimmt davon ausgegangen, dass der hofrätliche Anwalt ihm das Testament

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