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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Ahnung, dachte Alfie, der weder eine alleinerziehende Mutter war noch eine in seinen Diensten stehen hatte. Und dem auch nicht klar war, ob Rinnerthaler mit schwierig die Lebenssituation der Alleinerziehenden meinte oder die Beschäftigung derselben.
    Rinnerthaler öffnete das Fenster. „Das macht Ihnen doch nichts aus, oder? Ich bin ein großer Verfechter von Frischluft!“, sagte er, setzte sich und schlug die Mappe auf, die ihm seine Sekretärin gegeben hatte.
    Alfie setzte sich ebenfalls wieder. Er persönlich fand ja, dass da keine Frischluft durch das geöffnete Fenster strömte, sondern Eisluft, die ihn zweifelsohne binnen Kurzem schockgefrieren würde, aber Alfie war keiner, der Widerworte gab. Nie.
    Es verstrichen einige Minuten, in denen Rinnerthaler sich offenbar mit dem Fall vertraut machte. Er starrte intensiv auf ein Schriftstück – oder war mit offenen Augen eingeschlafen, das konnte Alfie nicht so recht ausmachen. Jedenfalls wurde er dann doch irgendwann ungeduldig.
    „Tja ...“, sagte Alfie auffordernd, weil er das Gefühl hatte, dass ihm langsam Eiszapfen aus der Nase wuchsen. „Äh ...“
    Nichts.
    „Ich bin also Alleinerbe meines Onkels“, fuhr Alfie – für seine Verhältnisse nachgerade tollkühn – fort.
    Konnte man im Sitzen und mit offenen Augen einem Herzinfarkt erliegen? Ob er den Anwalt mit dem Montblanc-Füllfederhalter, der ihm aus der Jackentasche lugte, anstupsen sollte?
    Unentschlossenheit, dein Name ist Alfie.
    „Klopf, klopf“, rief es plötzlich draußen vor der Tür, die im Bruchteil einer Sekunde später aufgestoßen wurde. „Bin ich zu spät? Das tut mir leid!“
    Jeff Bridges im dicken, schwarzen Rollkragenpulli trat ein und ließ sich schwer auf den zweiten Besucherstuhl fallen.
    Alfies Unterkiefer klappte nach unten.
    Wirklich, eine verblüffende Ähnlichkeit. The Big Lebowski, R.I.P.D., True Grit – das war entweder der Schauspieler, komplett mit Ziegenbärtchen und langen, grauen Haaren und relaxtem Grinsen – oder ein verdammt ähnlicher Doppelgänger.
    „Ah, dann sind wir jetzt ja vollzählig anwesend“, sagte Rinnerthaler. Irrte Alfie oder traute der Anwalt sich nicht, dem Neuankömmling in die Augen zu schauen? Im Gegensatz zu Rinnerthaler, der von einer wabernden Wolke Herrenparfüm umgeben war, die locker drei von seiner Größe hätten beduften können (die Duftwolke wächst umgekehrt proportional zur Größe des Mannes), roch Jeff Bridges nur frisch nach Seife.
    „Herr Gänswein, das ist Jonathan Peters, ein sehr guter Freund Ihres verstorbenen Onkels. Herr Peters, Alfred Gänswein.“
    „Freut mich sehr.“ Alfie war immer noch völlig fasziniert von diesem Virilität ausstrahlenden Bridges-Klon und streckte seine Hand zur Begrüßung aus. „Bitte nennen Sie mich Alfie.“
    „Jungelchen“, sagte Jeff Bridges nur und nickte lässig.
    Alfies Hand hing unschlüssig in der Luft.
    Jeff verschränkte die Arme.
    Das war dann auch für Alfie deutlich genug. Er zog seine Hand wieder zurück. Vielleicht las Jeff Bridges ihm vom Gesicht ab, dass er ihn innerlich Jeff Bridges nannte? Seinen richtigen Namen hatte Alfie schon längst vergessen. Kein Wunder, bei dieser eklatanten Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Schauspieler – bis hin zu den Lachfalten um die blauen Augen. Und was Filmschauspieler anging, kannte Alfie sich aus. Wer ein ereignisloses Leben führt, wird leicht süchtig nach den Abenteuern der Leinwand.
    „Herr Gänswein?“, rief der Anwalt. Seinem Tonfall nach rief er es nicht zum ersten Mal, aber Alfie war ganz im Anblick von ... äh ... Dings ... irgendwas mit J ... Jeff Bridges aufgegangen.
    „Ja?“ Alfie riss sich zusammen.
    „Wenn wir dann zur Testamentsverlesung schreiten könnten?“
    „Ja.“ Alfie setzte sich ordentlich auf seinen Stuhl, aufrecht und mit im Schoß gefalteten Händen.
    „Wie Sie bereits wissen, sind Sie der alleinige Erbe von Matthias Gänswein, Ihrem Onkel ...“
    Alleinig .
    Alfies Augen wanderten demonstrativ nach links zu Jeff Bridges.
    Der Anwalt konnte nicht anders, als seinem Blick zu folgen. Er verstummte.
    Alfies Augen wanderten zum Anwalt, dann erneut zu Jeff Bridges. Der Anwalt folgte seinem Blick hin und her, und wenn Alfie das noch ein paar Mal machte, würde Rinnerthaler zweifelsfrei in Hypnosetrance fallen.
    „Ich glaube, das Jungelchen fragt sich, was ich hier mache, wo er doch der Alleinerbe ist“, warf Jeff Bridges hilfreich ein – und zwar vollkommen ohne Akzent, was darauf schließen

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