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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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dennoch dankbar annahm. „Sie müssen schon entschuldigen, aber wir wussten ja nicht, dass Sie kommen.“
    Alfie mochte mausige Frauen. Sehr. Vor denen musste er keine Angst haben. Die hier war so verhuscht, dass er nicht einmal hätte sagen können, welche Haar- oder Augenfarbe sie hatte. Sie verschmolz förmlich mit dem Interieur. Bestimmt total effizient, die Kleine – das waren solche Mäuse immer.
    Das hatte er sich vorhin schon gedacht, als sie anhand seines Personalausweises seine Identität bestätigt und ihrem Chef eine hellgraue Mappe auf den Tisch gelegt hatte, auf der „Erbsache Gänswein“ stand. Ob Alfie schonmal einen Blick riskieren sollte? Besser nicht, die Bürotür stand offen und Alfie wollte nicht in flagranti ertappt werden.
    Alfie blies auf den heißen Kaffee in seiner Gmundner Keramiktasse. Es war schon seine zweite, Rinnerthaler ließ sich Zeit mit dem Zurückkommen von der Mittagspause. Als die erste Tasse leergetrunken war, hatte er sie auf den Kopf gedreht und inspiziert. Deshalb wusste er auch, dass sie aus der Keramikmanufaktur Gmunden stammte. Viel mehr gab es während des Wartens sonst nicht zu tun. Zu Alfies Missvergnügen lagen keine dreißig Jahre alten Reader’s Digest Hefte zur Lektüre herum wie im Wartezimmer eines Arztes, nur ein Faltblatt über Seefeld in Tirol mit besonderer Hervorhebung des hiesigen Wildsees für Bade- und sonstige Wasserfreuden.
    Außer dem übergroßen Schreibtisch in weiß und dem ergonomisch geformten Schreibtischstuhl, ebenfalls in weiß – nur der Besucherstuhl war dunkelblau, vermutlich damit ihn die Mandanten nicht einsauen konnten –, war das Büro leer. Hinter dem Schreibtisch hing noch eine weiß gerahmte Fotografie, die drei Männer mittleren Alters auf einem Berggipfel zeigte. Resnick, Rinnerthaler und Suss, wie zu vermuten stand. Das Bild hing schief.
    Alfie schluckte.
    Schief ging gar nicht. Schief trieb ihn in den Wahnsinn. Aber er kannte sich gut genug, um zu wissen, wie der Versuch, die gerahmte Fotografie gerade zu rücken, enden würde. Mit Scherben! Und Rahmensplittern! Und einem nicht mehr zu rettenden Foto – dem wahrscheinlich einzigen seiner Art, weil Resnick und Suss beim Abstieg zu Tode gekommen waren, worauf Rinnerthaler diese letzte Erinnerung an seine Freunde und Kollegen wie eine Reliquie verehrte. Alfie war Grobmotoriker. Daher verbot er es sich streng, Hand an das schiefe Bild zu legen.
    Er schlug stattdessen sein rechtes Bein über sein linkes, nahm einen großen Schluck Kaffee und verbrühte sich die Zunge. Er schlug nun sein linkes Bein über sein rechtes, stellte die Tasse auf dem Schreibtisch ab, setzte sich auf seine Hände und wippte vor und zurück, wobei er krampfhaft versuchte, an etwas anderes als das schiefe Bild zu denken. Den Weltfrieden. Das wirtschaftliche Gefälle zwischen armen und reichen Nationen. Schräglagen. Schief hängende Bilder. Verdammt! Zurück auf Anfang. Zwangsstörungen waren für die Betroffenen echt kein Zuckerschlecken.
    Und gerade, als Alfie dachte, es keine Sekunde länger aushalten zu können, stürmte ein schmales Männchen im Dreiteiler herein, mindestens ebenso verhuscht wie die Anwaltsgehilfin.
    Alfie sprang auf.
    „Tut mir unendlich leid, Herr ...“, fing das Männchen an. Es kam nicht oft vor, dass andere Männer noch kleiner und schmächtiger waren als Alfie. Der fühlte sich nun auf einen Schlag groß und bedeutend.
    „Gänswein“, raunte die Büromaus und drückte ihrem Chef eine weitere hellgraue Mappe in die Hand. „Todessache Gänswein.“ Alfie stutzte. Wie war sein Onkel denn zu Tode gekommen, wenn es dazu eine eigene Akte gab?
    Sofort setzte Rinnerthaler eine Betroffenheitsmiene auf. „Natürlich ... Gänswein ... Mein Beileid, Herr Gänswein, zu ihrem Verlust.“
    „Danke, aber ich kannte meinen Onkel ja kaum“, erwiderte Alfie und gelangte zu dem Schluss, dass keiner der Gipfelstürmer auf dem schief hängenden Foto Anwalt Rinnerthaler war. Die Männer auf dem Foto wirkten kernig, markig, männlich. Rinnerthaler war nicht einmal ein Bürohengst, allenfalls ein Bürowallach.
    „Wäre das dann alles ...?“, erkundigte sich die Büromaus. Alfie hätte schwören können, dass sie eine Perücke trug. Da lugte doch eine andersfarbige Haarsträhne hervor? Oder trug man das jetzt so?
    „Ja, danke, Frau Irschtaler.“ Rinnerthaler schloss die Tür. „Meine Sekretärin hat heute früher frei. Alleinerziehende Mütter. Schwierig. Aber wem sage ich das?“
    Keine

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