Grace - Die Biographie
wäre es nicht reine opportune Berechnung, auch recht naiv: Gardner Cowles und George Schlee, der gerade von einem seiner Sommeraufenthalte bei Onassis in die USA zurückgekehrt ist, treffen sich bei Cowles in dessen Haus in Connecticut. Die beiden Herren fragen sich, ohne zuvor Fürst Rainier III. konsultiert oder mit einbezogen zu haben, mit wem man ihn vermählen könnte, um dem Fürstentum neue Attraktivität und mit der Rückkehr des sogenannten Jetset somit wachsende Prosperität zu garantieren.
Übereinstimmend stellen die Herren fest, es müsse eine Amerikanerin sein. Eine berühmte Amerikanerin. Eine berühmte blonde Amerikanerin. Ja, am besten sei wohl eine berühmte blonde amerikanische Schauspielerin!
Auf einer vermeintlichen Liste sollen sich angeblich Namen wie etwa jene der beiden späteren Hitchcock-Schauspielerinnen Kim Novak ( Vertigo – Aus dem Reich der Toten ) 246 und Eva Marie Saint ( Der unsichtbare Dritte , 1959) sowie der von Deborah Kerr befunden haben, 247 nicht aber der von Grace Kelly. Dann kam die Eingebung: Marilyn Monroe!
Gardner Cowles, Herausgeber der US-Zeitschrift Look , ist es, der die vermeintlich fulminante Idee hat. Er kennt die Monroe persönlich. Der blonde Kurvenstar befindet sich zu dieser Zeit auf dem Zenit seiner Karriere – sie wirkte seit ihrem Leinwanddebüt im Jahr 1948 in Klassikern wie etwa Henry Hathaways Niagara (1953) mit, in Howard Hawks’ Gentlemen Prefer Blondes ( Blondinen bevorzugt , 1953), in How To Marry A Millionaire ( Wie angelt man sich einen Millionär? , 1953) von Jean Negulesco oder in Billy Wilders The Seven Year Itch ( Das verflixte 7. Jahr , 1955). Nur wenige Jahre später, 1961, wird sie bereits ihren letzten Film drehen – mit Clark Gable und Montgomery Clift in John Hustons The Misfits ( Nicht gesellschaftsfähig , 1961). Am 5. August 1962 stirbt Marilyn Monroe im Alter von nur sechsunddreißig Jahren unter bis heute nicht restlos aufgeklärten Umständen in Los Angeles. Über Jahrzehnte hält sich die – offizielle – Theorie, dass es Selbstmord war. Seit geraumer Zeit jedoch erhält auch die Mordtheorie im polithistorischen Kontext von Monroes Kontakten zum Kennedy-Clan neues Gewicht. Die objektive Wahrheit ist nicht mehr feststellbar. Ein anderer Mythos entsteht, eine andere Legende ist geboren.
In diesem Herbst 1955 können sich Gardner Cowles und George Schlee gar keine geeignetere Kandidatin vorstellen. Onassis gibt aus dem Hintergrund grünes Licht für die Unternehmung, und so kontaktiert Cowles die Aktrice umgehend. Sie wohnt zu diesem Zeitpunkt bei dem Fotografen Milton H. Greene, den Cowles auch kennt. Hat Greene doch am 12. November 1953, Grace Kellys vierundzwanzigstem Geburtstag, Kelly in einer Fotosessionjust für Look sowie in einer später selten gezeigten Serie im April 1954 fotografiert. Sie verabreden sich, Cowles, Schlee, Greene und die Monroe, in Cowles’ Haus. Draußen, am Swimmingpool des Hauses, unterbreiten die beiden konspirativen Herren der nichtsahnenden Schauspielerin schließlich ihren Plan: Ob sie sich vorstellen könne, den Fürsten von Monaco zu ehelichen?! Marilyn Monroe stellt den beiden Männern daraufhin nur zwei Fragen: »Ist er reich?« und »Sieht er gut aus?« 248
Mehr interessiert Marilyn nicht, und wo Monaco überhaupt liegt, das weiß sie – ähnlich wie später auch Grace Kellys Eltern, die Monaco zunächst mit Marokko verwechseln –, natürlich auch nicht. Auf den kurzen Einwand von Cowles und Schlee hin, ob sie denn glaube, dass der monegassische Fürst auch seinerseits mit ihr als Braut einverstanden sein werde, antwortet sie kurzerhand nur: »Lassen Sie mich zwei Tage mit ihm allein, dann garantiere ich Ihnen, er will mich so schnell heiraten, daß kaum noch Zeit ist, einen Standesbeamten zu holen.« 249
Was Cowles und Schlee dabei nicht zu bedenken scheinen, ist, dass die Monroe nicht katholisch ist, dass sie bereits zweimal geschieden ist – im Juni des darauffolgenden Jahres, 1956, wird sie den US-Dramatiker Arthur Miller heiraten und hiermit ihre dritte Ehe eingehen – und dass ihr Image als verführerischverruchte kurvige Blondine gewiss alles andere als adäquat für die ihr angetragene Rolle der Repräsentantin eines europäischen Fürstenhauses ist. Als Fürst Rainier III. später von besagten Plänen erfährt, reagiert er, verständlicherweise, verärgert.
Im Nachhinein betrachtet mag es wie eine Schnapsidee anmuten, was die drei Herren Onassis, Cowles und Schlee in
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