Graf Petöfy
Freitreppen und Korridore, Jagdzüge, Wald und Steppen und dazu Kavaliere mit ihren Damen, die flüsterten und kicherten. Und ihre Blicke maßen sich, und sie begegnete dem Hochmut, den man für sie hatte, mit gleich hochmütiger Miene.
Sie hing solchen Bildern noch nach, als Hannah von der Tür her auf sie zukam, ihr zutraulich das Haar zurückstrich und dann sagte: »So soll es nun also doch sein.«
»Hast du gehorcht?«
»Nein. Ich horche nie. Mein Vater selig litt es nicht und sagte, das sei von den kleinen Sünden eine der großen. Was nicht für einen gesprochen wird, das darf man auch nicht hören und wissen wollen. Ich sah den Grafen, als er ging, und las es ihm von der Stirn.«
»Und was sagst du?«
»Ja, Fränzl, was soll ich sagen?«
»Alles, was du denkst.«
»Nun, ich denke vielerlei.«
»Halte mit nichts zurück. Daß du's nicht billigst, das seh ich, und so kannst du gleich mit dem ›Warum‹ anfangen. Oder sind der Gründe so viele?«
»Ja, viele sind es, Fränzl.«
»Offen gestanden, das ist mir lieb; denn viele sind nicht so schlimm wie einer. Viele bringen sich untereinander um, und was dann übrigbleibt, bedeutet nicht viel. Also nenne sie nur; je mehr, je besser.«
»Er ist alt und du bist jung.«
»Gut.«
»Er ist ungrisch-wienerisch und du bist preußisch-pommerisch.«
»Gut.«
»Er ist katholisch und du bist protestantisch.«
»Gut.«
»Er ist ein Graf und du bist eine Schauspielerin.«
Franziska nickte. »Wohl, Hannah, alles wahr. Aber zuletzt trifft doch das zu, was ich dir eben schon gesagt habe. Sage selbst. Er ist gerade Wiener genug, um den Katholiken, und auch wieder Ungar genug, um den Wiener in Ordnung zu halten. Und so bleibt denn wirklich nichts übrig als ein alter Graf und eine junge Schauspielerin.«
»Und glaubst du, daß die gut zueinander passen?«
»Ich will es nicht als Regel aufstellen. Aber es gibt Ausnahmen, und unter den Ausnahmen ist es eine der gewöhnlichsten und der zulässigsten. Und erklärt sich auch. Im allgemeinen, darin hast du ja recht, gehört zu einem Grafen eine Gräfin; wer wollte das bestreiten? Aber wenn es keine Gräfin sein kann, so kommt nach der Gräfin gleich die Schauspielerin, weil sie, dir darf ich das sagen, der Gräfin am nächsten steht. Denn worauf kommt es in der sogenannten Oberschicht an? Doch immer nur darauf, daß man eine Schleppe tragen und einen Handschuh mit einigem Chic aus- und anziehen kann. Und sieh, das gerade lernen wir aus dem Grunde. So vieles im Leben ist ohnehin nur Komödienspiel, und wer dies Spiel mit all seinen großen und kleinen Künsten schon von Metier wegen kennt, der hat einen Pas vor den anderen voraus und überträgt es leicht von der Bühne her ins Leben.«
»Ich will es gelten lassen, Fränzl. Aber dann bleibt immer noch alt und jung.«
»Hältst du das für so schlimm?«
»Nein. Oder wenigstens nicht immer.
Ich
könnt es. Aber man muß seiner sicher sein.«
»Ich glaube meiner sicher zu sein. Und über diesen Punkt, über den ich jetzt soviel hören muß, auch von dir, muß ich dir mal ein ernstes Wort sagen. Aber du mußt auch aufmerksam sein. Denn ich weiß wohl, wenn dir etwas nicht paßt, so hast du Wachs in den Ohren und antwortest, ohne gehört zu haben.«
»Sprich nur; ich höre schon.«
»Ob ich meiner sicher sei! Ja, liebe Hannah, wer ist schließlich seiner sicher, ganz sicher? Aber sicher oder nicht, du darfst mir nicht immer mit Betrachtungen und einer Angst und Sorge kommen, als ob ich sechzehn wäre, mit anderen Worten also, du darfst nicht sprechen, gerade
du
nicht, als ob ich, wenn nicht direkt in Passionen steckte, so sie doch jeden Tag zu gewärtigen hätte. Du mußt schließlich am besten wissen, wie's steht. Oder müßtest es wenigstens wissen. Ein für allemal also, ich habe keine großen Passionen, ganz gewiß nicht, und wenn ich sie vor Jahr und Tag vielleicht hatte – vielleicht, sag ich, denn ich habe nicht Lust und Mut, jedes Bagatellgefühl für eine große Passion auszugeben –, so liegen sie hinter mir.«
»Du mußt dich nicht so hineinreden, Franziska; das zeigt nur, daß ich doch vielleicht recht habe. Wenn aber auch nicht, denn wer sieht ins Herz, so hab ich doch in dem einen recht, um das sich's hier überhaupt nur handelt. Es ist etwas mit dem jung und alt, und dabei bleibt es. Und nun gar in der Ehe.«
»Gewiß ist es was damit. Aber aus einem ganz andern Grunde, wie du glaubst.«
»Und der wäre?«
»Weil die Jahre, wenn sie doppelt und
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