Graf Petöfy
rascher, als alles, was von medisanten Bonmots in Kurs gesetzt werden konnte, schon in den Tagen vorher verausgabt worden war. Unter allen Umständen kam nichts davon zur Kenntnis des gräflichen Paares, das sich unmittelbar nach der Trauung, nur in Begleitung von Andras und Josephinen, einem neu engagierten und echt wienerischen Kammermädchen, zu mehrwöchentlichem Aufenthalte nach Oberitalien begeben hatte. Von dort aus sollte dann die Rückreise direkt nach Schloß Arpa hin angetreten werden, wohin Hannah in Begleitung einiger anderen Dienerschaften schon gleich nach der Hochzeit aufgebrochen war. Franziska hatte sich schwer von ihr getrennt, aber gerade bei der Vertraulichkeit, die zwischen ihnen herrschte, diese Trennung doch auch wieder als nötig angesehen.
Der Aufenthalt in Oberitalien begann am Gardasee, woran sich dann ein Besuch von Venedig schloß, von Venedig, das Franziska noch viel schöner fand, als sie gedacht und geträumt hatte. Nichtsdestoweniger war sie, nachdem sie zehn Tage lang alles Gefrorene durchgekostet und eine Legion von Erbsendüten an die Markusplatztauben verfüttert hatte, am elften Tage froh, den Aufenthalt abgebrochen zu sehen, und zwar um so mehr, als der Graf willens war, auf der Rückreise noch Etappen zu machen, vor allem in Verona, das vor länger als einem halben Jahrhundert sein Garnisonsort und der Schauplatz seiner ersten Triumphe gewesen war. Franziska hatte lachend eingewilligt, aber doch nur unter dem Zugeständnis, daß ihr das Haus und Grab der Julia Capulet gezeigt werde, »weil Liebesgeschichten mit tragischem Ausgange nun mal ihre Passion seien«. Und nach diesem Programm war die Rückfahrt auch wirklich angetreten und ausgeführt worden, erst in kleinen, oft unterbrochenen Tagereisen, bis man endlich, von Station Bozen aus den Eilzug benützend, in zwölfstündiger Fahrt die Südspitze des großen Arpasees erreicht hatte. Hier an der Südspitze lag Nagy-Vasar, ein Flecken, von dem aus dreimal täglich ein Dampfschiff bis zu dem am Nordufer des Sees und zugleich zu Füßen von Schloß Arpa gelegenen Städtchen Szegenihaza ging.
Das Schiff hatte sich eben in Bewegung gesetzt, denn die Abfahrtszeit, zwei Uhr, war schon vorüber; als aber der auf seiner Kommandobrücke stehende Kapitän des Schiffes des Grafen ansichtig wurde, gab er Contredampf, legte noch einmal an und empfing respektvoll die Herrschaften. Franziska sah auf der Stelle, wie beliebt der Graf war und welches Ansehen er bei hoch und niedrig genoß.
Es war ein glühheißer Tag, aber das ausgespannte Zeltdach und mehr noch der Wind, der ging, ließen die Hitze nicht unangenehm empfinden. Am wenigsten empfand sie Franziska, die nicht müde wurde, die prächtigen Bilder, die der See bot, in sich aufzunehmen. Wohl war der Gardasee schöner gewesen, aber alles interessierte sie hier mehr, weil sie berufen war, zu dem allem in eine nähere Beziehung zu treten. Der alte Graf las nicht eigentlich, was in ihrer Seele vorging, aber er freute sich doch lebhaft ihrer aufrichtigen und ganz unverkennbaren Teilnahme.
»Nun, glaub ich«, hob er an, »wird es an der Zeit für mich sein, den Cicerone zu machen. Sieh, das da drüben ist Szent-Görgey. Und dies hier unten am Abhang mit den zwei Windmühlen, das ist Mihalifalva.«
»Mihalifalva! Wie schön das klingt!«
»Und ist doch das Prosaischste von der Welt. Was meinst du wohl, was sich hinter diesem Mihalifalva verbirgt? Mihalifalva heißt Michelsdorf. Alles hier herum ist falva, sehr natürlich, denn falva heißt Dorf. Und damit hast du den Schlüssel, der dir den ganzen poetischen Zauber aufschließt. Das da mit dem Schindelturm ist Iwanifalva. Wundervoll, denkst du. Nicht wahr? Aber bei Lichte besehen heißt es Hansdorf.«
Unter allerlei Fragen, die Franziska tat, wurde der Graf immer beredter und begleitete die Namen der umherliegenden Dörfer und Städte bald auch mit Anekdoten, unter denen einige nicht nur pikant genug, sondern auch ganz darauf berechnet waren, Franziska die Gesellschaftskreise kennenzulehren, in die sie nun binnen kurzem eintreten sollte.
Gegen sechs legte das Dampfschiff an der weit vorgebauten Landungsbrücke von Szegenihaza an, das Endstation und für die Nordhälfte des Sees genau dasselbe wie Nagy-Vasar für die Südhälfte war. Etwas landeinwärts erhob sich Schloß Arpa steil und mächtig und überblickte den See.
»Sieh«, sagte der Graf und wies hinauf.
Andras und Josephine blieben des Gepäckes halber zurück, und in einem
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