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Grafeneck

Titel: Grafeneck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Gross
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Leichenfledderer.
    »Der Schuß war aufgesetzt, so wie’s aussieht. Hinten im Genick, unterhalb der Schädelkante. Er ging glatt durch und ist aus dem linken Auge ausgetreten.« Der Mann erhebt sich und schaut Mauser an.
    Mauser nickt.
    »Sonst haben Sie nichts gemacht?« wird er gefragt.
    Er schüttelt den Kopf.
    »Gut«, sagt Greving. »Sie können wieder hinaus. Wir sind hier noch ein Weilchen beschäftigt.«
    »Wie wollen Sie denn die Leiche hier rausbringen?« getraut sich Mauser zu fragen. »Ich mein, ohne daß sie zerbröselt.«
    Als Antwort rollt der Einsatzleiter einen Sack mit Reißverschluß auseinander. »Damit. Das ist eine aufblasbare Hülle. Dadurch kriegen wir die Leiche um jede Biegung, ohne daß sie beschädigt wird«, meint der Mann und lächelt. Er meint es freundlich, er hat das schon oft gemacht.
    Mauser nickt anerkennend.
    »Auf die Idee wäre ich nicht gekommen.«
    »Eine Art aufblasbarer Verband«, erläutert Greving. »Schwierig wird nur, die Matte unter den Leichnam zu bringen. Das ist der kitzlige Teil daran.«
    »Ich habe jetzt alles aufgenommen«, sagt der Mann hinter ihm. Er hat eine Kamera in den Händen.
    »Gut, dann gehen Sie in die Halle zurück«, sagt Greving zu Mauser.
    Mauser hat jetzt genug. Er verläßt die Höhle und streckt sich draußen im warmen Frühlingsmittag. Ein Mann bedient die Batterie.
    »Mit einer aufblasbaren Hülle machen die das«, spricht ihn Mauser an. Der Mann nickt bloß. »Das haben Sie schon oft gemacht, oder nicht?«
    Wieder ein Nicken.
    Es dauert zwei Stunden, bis die Leiche zum Vorschein kommt. Sie steckt in der aufgeblasenen Hülle, die lehmverschmiert ist. Gelber, genoppter Stoff. Reißfest und wasserdicht, garantiert, denkt Mauser. Kaum vorstellbar, daß sie jetzt da drinsteckt. Ist vielleicht gut so. Dann transportieren sie etwas anderes ab als meine Leiche. Einen Fund. Einen Fall.
    »Jetzt ist es soweit«, sagt Mauser.
    »Ja. Die Leiche kommt jetzt nach Tübingen und wird obduziert«, sagt der Einsatzleiter. Greving steht neben ihm und zittert ein bißchen.
    »Wir werden Ihrem Toten schon auf die Spur kommen«, sagt Greving und lächelt Mauser an. Die Männer räumen alles zusammen und verladen die Leiche im Mannschaftswagen.
    »War ein hartes Stück Arbeit«, sagt Mauser.
    Einer entfernt Waiblingers Absperrung. Es scheint so, als wäre die Höhle jetzt wieder frei, befreit sozusagen von ihrer Last. Aber Mauser weiß, daß er da nicht mehr hineinkann. Das Geheimnis hat er nun zu Hause oder im Kopf. Greving bleibt neben ihm stehen. Mauser packt aus seiner Tasche eine Blechdose und eine Thermosflasche aus. Er schenkt heißen Kaffee in einen Becher und reicht ihn dem Kommissar hinüber.
    »Wollen Sie? Filterkaffee, kein löslicher.«
    »Danke.«
    Sie setzen sich an den Höhleneingang und schauen zu, wie die Männer wieder im Mannschaftswagen verschwinden. Die Sonne scheint, Meisen zwitschern in den Bäumen. Irgendwie paßt das, denkt Mauser. Lazarus, komm heraus. Die werden Dinge herausfinden, von denen ich keine Ahnung hab, denkt er. Aber das Wichtigste ist jetzt: Wer war er?
    Mauser bricht sein Wurstbrot in zwei Hälften und gibt Greving die eine. Kauend schauen sie über den Parkplatz hinüber in den Hangwald.
    »Was machen Sie sonst noch, außer Morde aufklären?« fragt Mauser.
    »Ich interessiere mich für Pferde.«
    »Reiten Sie?«
    »Nein. Aber ich mag Pferde.«
    »Dann sollten Sie sich mal Marbach ansehen. Das Gestüt.«
    »Haupt- und Landgestüt, ich weiß. Ich habe schon viel darüber gelesen.«
    »Glauben Sie, Sie können rausfinden, wer die Leich ist?« fragt Mauser unvermittelt.
    »Das wird schwierig. Es kommt darauf an, wie lange sie schon dort liegt.«
    »Kann man das nicht feststellen?«
    »Soviel ich weiß, ist das bei mumifizierten Leichen nicht so einfach. Normalerweise erkennt man die Liegedauer einer Leiche an dem Grad der Verwesung und der Art der Bakterien, die sich darin angesiedelt haben. Aber hier gibt es keine Bakterien. Sie ist konserviert worden. Vielleicht gibt uns der Anzug einen Anhaltspunkt. Aber das kann fünfzig oder mehr Jahre her sein. Da wird es schwierig, irgendwelche ärztlichen Unterlagen zu finden, anhand derer man ihn identifizieren könnte.«
    »Kann man das nicht am Gebiß oder so?«
    »Man braucht einen Anhaltspunkt. Wir können nicht sämtliche Arztpraxen des Landes nach jahrzehntealten Unterlagen durchsuchen. Wir können nicht sicher wissen, daß der Mann von hier war.«
    »Sie meinen, ein

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