Gralszauber
verloren
hatte.
Jetzt hatte die Wirklichkeit sie wieder eingeholt. Mordreds feiger Überfall hatte den Krieg wieder zurück nach
Camelot getragen und das war es, was die Menschen so
tief erschüttert hatte und was wohl letztendlich auch der
Grund für Tanders Zorn war. Nicht Artus’ Schwert, sondern seine bloße Gegenwart hatte die Stadt fast ein Menschenleben lang vor jedem Angriff beschützt. Niemand
wagte es, die Hand gegen Camelot zu erheben. Mordred
hatte gegen dieses ungeschriebene Gesetz verstoßen, aber
die Menschen hier gaben nicht ihm die Schuld, sondern
Artus, von dem sie sich verraten fühlten.
Dulac musste an das denken, was ihm Gwinneth über
Artus und seine Fähigkeiten als Politiker erzählt hatte, und
er verstand sie jetzt ein bisschen besser. Es war kompliziert, machte aber durchaus Sinn. So oder so – er hätte in
diesem Moment nicht mit Artus tauschen wollen.
Nach einer Weile erreichte er die Burg. Artus und seine
Begleiter mussten in der Nacht zurückgekommen sein,
denn Artus’ Banner hing schlaff in der windstillen Luft
über dem Tor und vom Burghof drangen ihm Hämmern
und die Rufe der Handwerker entgegen, die mit vereinten
Kräften dabei waren, die Spuren von Mordreds Besuch zu
beseitigen. In einem aber unterschied sich Burg Camelot
eindeutig von den Straßen der gleichnamigen Stadt: Hier
herrschte keine Angst, sondern eine fast fröhliche Stimmung. Die Toten waren weggeschafft worden, alle Spuren
der Kämpfe beseitigt, und als Dulac durch das Tor trat und
die große Anzahl von Handwerkern und Gehilfen sah, die
Camelot etwas von einem wimmelnden Ameisenhaufen zu
geben schienen, wurde ihm klar, dass die Burg in wenigen
Tagen schon wieder so prachtvoll und strahlend aussehen
würde wie zuvor. Angesichts der Schäden, die die Stadt
davongetragen hatte, erschien ihm dies fast widersinnig,
denn ein funktionierender Brunnen war allemal wichtiger
als das polierte Kupferdach eines Aussichtsturmes, aber
dann sagte er sich, dass wohl auch dies zu Artus’ ganz
speziellen politischen Aufgaben gehörte. Es war wichtig,
dass Camelot in all seiner Pracht erstrahlte. Wenn die
Menschen wieder an Artus’ Schutz und Unbesiegbarkeit
glauben sollten, dann brauchten sie etwas, zu dem sie aufblicken konnten.
Vielleicht war er an diesem Morgen der einzige Mensch
in der ganzen Burg, der sich nicht von der allgemeinen
Fröhlichkeit und Aufbruchstimmung anstecken ließ. Aus
dem vagen Kummer, der die ganze Zeit über in ihm gewesen war, wurde allmählich ein dumpfer Schmerz, als er
sich der Treppe zum Kellergewölbe näherte. Es war ein
schwerer Gang, den er nun zu gehen hatte, aber er musste
es tun.
Als er das letzte Mal hier gewesen war, war ihm keine
Zeit geblieben, wirklich von Dagda Abschied zu nehmen.
Nun würde er dieses Versäumnis nachholen. Selbst wenn
er nur in einem leeren Zimmer und allein vor einem leeren
Bett stand.
Er war jedoch nicht allein und das Zimmer war nicht
leer.
König Artus stand an dem Bett und starrte dorthin, wo
gestern noch Dagdas einfacher Strohsack gelegen hatte. Er
musste Dulac bemerkt haben, denn dieser hatte sich keine
Mühe gegeben, leise zu sein, hatte er sich hier unten doch
vollkommen allein gewähnt. Trotzdem reagierte er nicht
im Geringsten, als Dulac hereinkam. Erst als dieser mit
einem unbehaglichen Räuspern auf sich aufmerksam
machte, hob er den Kopf und drehte sich ganz langsam zu
ihm herum. Sein Gesicht war wie Stein, eine Maske königlicher Beherrschtheit wie immer, aber seine Augen
schimmerten nass und auf seinen Wangen waren zwei
schmale, feuchte Linien zu erkennen. Hatte der König …
geweint?
»Dulac«, begrüßte er Dulac.
Dulac senkte hastig den Blick und hauchte ein: »Mein
König.«
»Lass den Unsinn«, sagte Artus. »Wir sind allein. Und
ich fühle mich im Moment ganz und gar nicht königlich.«
Er holte hörbar Luft. »Ich habe einen guten Freund verloren. Den besten vielleicht, den ich je hatte.«
»Dagda.«
»Merlin«, verbesserte ihn Artus. »Sein Name war Merlin. Er hat ihn abgelegt, als sich die Zeiten zu ändern begannen und das Kreuz immer stärker und der Runenstab
immer schwächer zu werden begann.«
»Warum?«, fragte Dulac.
Artus zuckte die Schultern. »Er wollte mir wohl nicht im
Weg stehen«, sagte er. »Merlin war der letzte Hohepriester
der alten Götter, musst du wissen. Der letzte der alten Magier und mit Sicherheit der mächtigste, der je gelebt hat.
Ich weiß nicht, wie es
Weitere Kostenlose Bücher