Gralszauber
ohne ihn weitergehen soll. Am Ende
ist auch er dem erbarmungslosen Feind erlegen, der Zeit.«
»Nein«, sagte Dulac. Vermutlich war es ein Fehler, aber
Artus hatte das Recht, zu erfahren, was wirklich geschehen war.
»Nein? Was meinst du damit?«
»Dagda – Merlin – wusste, dass er sterben würde«, antwortete Dulac. »Er hat es mir gesagt. Er fühlte sich alt und
schwach. Aber es war nicht das Alter, das ihn getötet hat.«
»Du warst … dabei?«, fragte Artus ungläubig.
»Er ist in meinen Armen gestorben«, bestätigte Dulac.
»Ja.«
»Wer hat ihn getötet?« Artus’ Stimme wurde scharf.
»Die Pikten?«
»Zauberei«, antwortete Dulac. »Es war schwarze Magie.
Ich verstehe nichts von solcherlei Dingen, aber es war
Zauberei. Finsteres Hexenwerk.«
Artus’ Blick verdüsterte sich. Er stellte keine Fragen
nach Einzelheiten. »Morgaine«, murmelte er. »Ich hätte es
wissen müssen. Die Hexe. Ich wusste, dass sie etwas im
Schilde führt, aber ich hätte nie geglaubt, dass sie es wagt,
hier im Herzen Camelots zuzuschlagen.« Er maß Dulac
mit einem grimmigen Blick. »Du irrst dich, Junge. Es war
das Alter, das Merlin getötet hat. Wäre er auch nur noch
im Besitz eines Bruchteiles seiner Kräfte gewesen, so hätte er diesen feigen Angriff ohne Mühe abgewehrt. Und es
ist meine Schuld. Ich hätte ihn nicht allein lassen dürfen!
Ich bin wie ein Dummkopf auf den ältesten aller Tricks
hereingefallen. Und um ein Haar hätte ich auch noch
Uther und Gwinneth ins Verderben geführt.«
»Gwinneth?«, fragte Dulac mit gespieltem Schrecken.
»Was ist mit –«
»Sie ist unversehrt«, unterbrach ihn Artus. »Aber das ist
nicht mein Verdienst. König Uther ist tot, und wäre nicht
dieser geheimnisvolle Silberne Ritter aufgetaucht, dann
wäre wohl auch Gwinneth nicht zurückgekommen.«
»Derselbe Ritter, der –«
»Derselbe, ja«, unterbrach ihn Artus. Dann fragte er:
»Was ist mit deinem Arm passiert?«
»Ich war ungeschickt«, antwortete Dulac ausweichend.
»Es ist nicht schlimm.« Um seine Behauptung gleich unter
Beweis zu stellen, nahm er den Arm aus der Schlinge. Die
Bewegung hätte ihm fast die Tränen in die Augen getrieben, aber er beherrschte sich und beließ es bei einem
flüchtigen Verziehen der Lippen.
»Ich bin froh, dass du nicht arg verletzt bist«, sagte Artus. Zu Dulacs Erleichterung fragte er nicht, wie und wo er
sich die Verletzung zugezogen hatte. »Und es wird noch
mehr Blut fließen. Ich fürchte, das war erst der Anfang.
Mordred wird nicht aufgeben. Er will Camelot und es ist
ihm egal, wenn er auf dem Weg dorthin durch ein Meer
aus Blut waten muss.«
Dulac war verwirrt. Es erstaunte ihn, dass Artus ihn so
ins Vertrauen zog, aber dann wurde ihm klar, dass dieser
Eindruck nicht stimmte. Artus zog ihn nicht ins Vertrauen.
Er brauchte einfach jemanden um zu reden und Dulac war
zufällig der Erste, den er getroffen hatte.
Artus sog so tief die Luft ein, dass es sich fast wie ein
kleiner Schrei anhörte. Als er weitersprach, hatte er sich
wieder vollkommen in der Gewalt. »Das Leben geht weiter, Dulac«, sagte er, »so grausam es klingen mag. Ich
möchte, dass du zu deinem Ziehvater gehst und ihn bittest,
fürs Erste hier nach dem Rechten zu sehen. Jemand muss
für uns kochen. Und was dich angeht …« Er zögerte einen
Moment. »Ich habe Merlin vor langer Zeit versprochen,
mich um dich zu kümmern, sollte ihm etwas zustoßen, und
ich werde mein Wort halten. Doch ich möchte dich bitten,
mir noch etwas Zeit zu geben. Im Moment ist einfach zu
viel im Ungewissen.«
»Natürlich«, antwortete Dulac hastig. Der König bat ihn
um Verständnis? Er konnte es kaum glauben, obwohl er es
mit eigenen Ohren hörte.
»Geh jetzt nach Hause«, sagte Artus. »Dort wartet bestimmt genug Arbeit auf dich. Morgen bei Sonnenaufgang
werden wir unsere gefallenen Brüder beisetzen. Ich erwarte dich vor der Kirche.«
Dulac hatte in seinem ganzen Leben noch keinen Fuß in
eine Kirche gesetzt, aber er widersprach nicht. Artus erwartete etwas Bestimmtes von ihm. Er wusste noch nicht,
was, aber er spürte deutlich, dass der König nicht nur aus
bloßer Freundlichkeit mit ihm sprach. Da war noch etwas.
Und eines spürte er ganz deutlich: Was immer es war, es
würde ihm nicht gefallen.
Die Beisetzung fand am nächsten Morgen statt, eine halbe
Stunde nach Sonnenaufgang. Camelots Friedhof lag außerhalb der Stadtmauern und er spiegelte auf seine Art den
gleichen Geist wider, der auch in
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