Gran Reserva
hatte.
Am dort angebauten Wein konnte es schon mal nicht liegen.
Juans Häuschen war leichter zu finden als gedacht. In der kargen Landschaft wucherte direkt an der Straße Richtung Navarrete ein Garten wie eine Oase, wie ein kleines Paradies. Ein alter Zaun umgab ihn, doch rankende Pflanzen hatten diesen längst zu einem Teil des Gartens werden lassen, sie hatten die von ihm gesetzte Grenze einfach nicht akzeptiert. Und doch war es trotz all des Grüns, all des Sprießens und Blühens keine entfesselte, sich selbst überlassene Natur. Es war Menschenwerk. Juan musste sicherlich viel Wasser verteilen, um den fehlenden Regen zu ersetzen.
Das eingeschossige, ochsenblutrote Haus lag genau in der Mitte des Gartens, das Dach von Efeu überwuchert. In die Wände waren nachträglich Fenster eingesetzt worden, doch das fachgerechte Verputzen hatte man sich gespart. Es gab eckige Fenster, runde und auch völlig unförmige, zusammengesetzt aus farbigen Glasscherben und Flaschenböden. Juan schien dem Licht jede nur erdenkliche Möglichkeit zu geben, hereinzukommen. Von Mauerwerk oder gar tragenden Wänden ließ er sich dabei nicht aufhalten.
Max parkte den Jeep vor dem Haus neben zwei anderen Wagen, einem alten VW Bulli und einem kanariengelben Seat Ibiza. Keine Katze zu sehen. Wenn er eine Katze wäre, dachte Max, würde er auch nicht vor dem Haus schlummern, sondern sich irgendwo im dichten Grün ein schattiges Plätzchen suchen. Idealerweise nur eine Pfotenlänge von einem Mauseloch entfernt.
Die Tür stand weit offen, eine Klingel gab es nicht, auch keinen Türklopfer. Dieses Gottvertrauen bewunderte Max. Wer in Köln seine Tür unverschlossen ließ, musste seines Besitzes arg überdrüssig sein.
Im Flur lagen die ersten Katzen. Die ersten…vierzehn. Sie blickten nicht einmal auf, als Max sich zwischen ihnen vorsichtig einen Weg suchte. Die meisten Katzen waren recht dünn, an einigen Ohren konnte man Kampfspuren erkennen, an dem einen oder anderen Katzenkörper fehlte irgendwo ein Stückchen Fell. Sie lebten anscheinend wie echte Raubkatzen.
»Hola? Jemand zu Hause? Juan?« Sein Spanisch hörte sich noch etwas rostig an, doch mit jedem Wort erinnerte sich seine Zunge mehr an die Feinheiten, oder besser: Grobheiten der Sprache. Und seine Stimme gewann an Volumen, wurde lauter, so wie es hier üblich war.
Musik war zu hören. Ein beständiges, tiefes Wummern. Max folgte den Tönen, es gesellten sich mehr dazu, elektronische, aber keine Stimmen, der Sound war technisch und kühl, voller pulsierender Energie. Er führte Max wieder hinaus aus dem Haus, in den dahinter liegenden Gartenteil.
Dort fand er seinen Studienfreund. Malend, an einer sicher drei Quadratmeter großen Leinwand, die er gegen zwei eng stehende, knorrige Olivenbäume gelehnt hatte und auf der er entschlossen rosa Farbe verteilte.
Juan war nicht allein, sein Motiv saß wenige Schritte entfernt in der Sonne: ein nacktes Pärchen auf einer gusseisernen Gartenbank. Die Farbe war abgeblättert, Dellen und Kratzer verliehen ihr eine romantische, ungeschminkte Schönheit, die auch das ältere Paar ausstrahlte.
Beide waren schon weit im Rentenalter, er hatte eine polierte Glatze und einen ebenso runden, allerdings umso stärker behaarten Schmerbauch, sie war hager, fast dürr, ihre weißen Haare fielen wallend über ihre Schultern.
Sie winkten Max freundlich zu.
Er ging näher zu Juan, leise, um ihn nicht in seiner Konzentration zu stören. Es gelang ihm, die Schönheit der beiden so herauszuarbeiten, dass sie die Makel des Alters überstrahlte. Die ineinander verschlungenen Hände waren überlebensgroß dargestellt. Die Frau lehnte ihren Kopf an die Schulter des Mannes, in die Kuhle neben dem Halsansatz, die wie für sie geschaffen schien. Es war Liebe zwischen ihnen, um sie, hüllte sie ein, eine über Jahrzehnte gewachsene, die sich fast schon mit dem bloßen Auge erkennen ließ. Vor allem für einen Maler wie Juan. Ihre Liebe war eine Überlebende. Ein seltenes Exemplar. Sie war es wert, gemalt zu werden.
Max spürte, wie er zu seiner Notfall-Kamera griff, die er immer in der Jackentasche mit sich trug. Eine kleine kompakte mit Zeiss-Objektiv, immer schussbereit, damit ihm kein Motiv entging. Max musste einfach fotografieren, es war manchmal wie ein Zwang. So wie andere immer noch einmal prüften, ob ihr Wagen auch wirklich verschlossen war, obwohl sie gerade erst den entsprechenden Knopf auf der Fernbedienung gedrückt hatten. Seine drei
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