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Gran Reserva

Gran Reserva

Titel: Gran Reserva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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beschwingt die Bodega anschauen zu können. Aber seine Führerin sah das anders. Es folgten Edelstahltanks und Barrique-Fässer, Weinpressen, Filter und Schläuche. Max hatte keine Augen dafür.
    Schließlich bekam er endlich den berühmten Gran Reserva des Hauses zu Gesicht, den Faustino I. Leider nicht geöffnet.
    Sie befanden sich im Flaschenkeller, umringt von etlichen Jahrgängen, die darauf warteten, in den Verkauf zu kommen. Insgesamt unfassbare neun Millionen Flaschen, wie Cristina betonte.
    »Dieser Wein ist eine spanische Ikone. Erstmals im Jahr 1964 auf den Markt gebracht, ist er einer der großen, im traditionellen Stil erzeugten Gran Reservas. Der aktuelle Jahrgang wurde aus fünfundachtzig Prozent Tempranillo-, zehn Prozent Graciano- und fünf Prozent Mazuelo-Trauben erzeugt und reifte für achtundzwanzig Monate in Barrique-Fässern aus französischer und amerikanischer Eiche, anschließend noch mindestens drei Jahre in der Flasche. Diese besteht bei unserem Faustino I übrigens aus gefrostetem Glas, weil es…«
    »… so schön aussieht.«
    Cristina schüttelte den Kopf. »Nein, das gefrostete Glas der Burgunderflasche verringert den schädigenden Lichteinfall und lässt den Wein besser reifen.«
    »Schick ist es trotzdem.«
    »Es geht nicht immer nur um Äußerlichkeiten.«
    »Gott sei Dank.«
    »Wissen Sie, was das Besondere einer Gran Reserva ist?«
    Oh, Quiz. Max beschloss, sich dumm zu stellen, damit Cristina etwas zu erklären hatte. »Es ist der beste Wein eines Gutes?«
    »Das auch, aber warum?«
    Max schoss ein weiteres Foto von ihr. Sie schien leicht ungeduldig.
    Er ließ sie etwas zappeln.
    »Die besten Trauben?«
    »Das auch. Aber das Geheimnis ist das Alter des Weines. Bei einer Crianza muss der Wein mindestens ein Jahr im Eichenholzfass und mindestens ein weiteres in der Flasche reifen. Bei einer Reserva mindestens ein Jahr im Eichenholzfass und mindestens zwei Jahre in der Flasche. Und bei einer Gran Reserva mindestens zwei im Eichenholzfass und mindestens drei in der Flasche. Es gibt auch Weine, die unter der Mindestdauer liegen und dann Semicrianza oder Roble genannt werden.
    Gran Reserva sagt also eigentlich nichts über die Qualität eines Weines aus – doch je besser der Wein, desto länger kann er im Fass reifen. Deswegen werden auch nur die besten Weine einer Bodega als Gran Reservas ausgebaut. Und in schwachen Jahren gibt es gar keine Gran Reservas. So, das waren jetzt ganz viele Fakten. Nun etwas fürs Herz. Unsere Schatzkammer. Haben Sie Lust?«
    Max schenkte ihr ein Lächeln, das als Antwort mehr als ausreichte.
    Cristina trat in einen viereckigen Raum, in dessen weiße Wände gusseisern vergitterte Fächer eingelassen waren, alle rund einen Meter hoch und einen halben breit. Weinflaschen lagerten darin, Namensschilder verrieten, wem der Inhalt gehörte: Firmen, Privatpersonen, dem Königshaus. Einige Flaschen hatten bereits Staub angesetzt – was sie nur noch begehrenswerter erscheinen ließ. Große Riojas des Hauses Faustino reiften hier bei perfekter Temperatur und Luftfeuchtigkeit heran.
    Max wusste, was von ihm erwartet wurde – und es kam von Herzen. »Ich bin wirklich beeindruckt. Könnte ich auch so ein Fach mieten?«
    Cristina lächelte. Max schoss ein Foto davon.
    »Jeder kann eines mieten – und muss nicht einmal etwas dafür bezahlen, sondern nur achtundvierzig Flaschen kaufen, die dann hier eingelagert werden. Ein Fach ist gerade erst geleert worden, wenn Sie sich jetzt entscheiden, ist es Ihres. Soll ich es Ihnen zeigen?«
    Max nickte ohne Zögern. Die Vorstellung, eigene Flaschen hier unten zu besitzen, hatte etwas von einem geheimen Piratenschatz, ein Grund, immer wieder zurückzukehren.
    Das fragliche Fach befand sich in der rechten Ecke, ganz unten, wenig Licht fiel dorthin, ideal für die Reifung des Weins. Die hintere Wand war nicht zu erkennen. Stattdessen ungleichmäßige Düsternis. Wie in einem Kleidersack.
    Cristina trat näher heran, ging in die Knie, öffnete das Schloss und zog das Gitter zu sich. Plötzlich begann sie zu zittern.
    Auch Max beugte sich hinunter. Eine Form hob sich von der Dunkelheit ab. Es war ein Kopf.
    Und in diesem kein Leben mehr.
    Cristina sank auf die Knie, presste sich die Hände auf den Mund, um ihr Schluchzen zu ersticken. Max kniete sich neben sie, und aus der Nähe erkannte nun auch er, dass in das Fach ein menschlicher Körper gepresst worden war.
    Der Kopf war der eines hageren, alten Mannes, Haare und Vollbart

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