Grand Cru
jeweiligen Kränzen zum einen der Schuhmacher Bachelot für die gaullistischen
combattants
und zum anderen sein Erzrivale Jean-Pierre, der den kommunistischen
franc-tireurs et partisans
angehört hatte. Dass beide zum Zuge kamen, war einer jener Kompromisse, die in der französischen Politik gang und gäbe und nicht zuletzt der Geduld Marie-Louise' zu verdanken waren. Sie war vierzehnjährig als Kurier der Résistance von der Gestapo festgenommen und nach Buchenwald verschleppt worden und hatte in Brunos Augen mehr gelitten als Jean-Pierre und Bachelot zusammengenommen. Trotzdem machte sie nie viel Aufhebens von sich, bot immer ihre Hilfe an und erachtete alle Jugendlichen von Saint-Denis als ihre Enkel, weil sie selber keine hatte. Mit ungerührter Miene sah sie zu, wie die beiden älteren Männer die Schultern strafften, salutierten und zurücktraten. Als die Kapelle die Marseillaise vortrug, rannen Tränen über ihre Wangen.
Als die Nationalhymne verklungen war, luden die Sargträger den Sarg in den Leichenwagen. Bruno sammelte die Fahnen ein und trug sie in den Keller der
mairie
zurück. Anschließend stieg er in sein Büro hinauf und faltete den Zettel auseinander, den Jean-Jacques ihm gegeben hatte, was ihn plötzlich an etwas erinnerte. Er griff zum Hörer und wählte die Nummer des
brigadiers
in Paris.
Ein Adjutant antwortete. Als Bruno ihm seinen Namen nannte, war er überrascht zu hören: »Ihr Antrag wurde gebilligt. Sie können bei uns anfangen. Ich verbinde...« Wenig später meldete sich der
brigadier.
»Unser Freund Jean-Jacques steckt in Schwierigkeiten«, hob Bruno an.
»Ich weiß. Der amerikanische Botschafter war beim Minister und hat sich beschwert. Ich kümmere mich darum. Keine Sorge, der Minister wird sich hüten, engagierte Polizeibeamte einzuschüchtern. Und wenn ich richtig verstanden habe, ist es Ihnen zu verdanken, dass dem jungen Amerikaner eine Nacht in der Zelle erspart geblieben ist. Es gibt also gar keinen Grund zur Beschwerde. Haben Sie eine Nachricht aus Québec erhalten?«
»Ja, Monsieur. Sie liegt vor mir.«
»Schön, dass ich helfen konnte. Und nicht vergessen, wir haben einen Job für Sie und würden uns freuen, wenn Sie zu uns kämen. Übrigens, ich hätte da noch eine Nachricht für Sie, und zwar von
chefinspectrice
Perrault. Sie wissen doch, dass sie in Luxemburg im Einsatz war, oder? Es würde sie freuen, wenn Sie zum Rugbyspiel gegen Schottland am Wochenende nach Paris kommen würden. Karten habe ich schon besorgt, für Sie und Jean-Jacques, Perrault und mich. Anschließend spendiere ich ein Abendessen im Tour d'Argent ... «
Die Verbindung war plötzlich abgebrochen. Immerhin, dachte Bruno, eine Sorge weniger. Die Sache mit Jean-Jacques würde wohl wieder in Ordnung kommen. Das mit Isabelle war etwas anderes. Er würde sie liebend gern wiedersehen, fürchtete aber, erneut hin- und hergerissen zu sein. Vielleicht wollte ihm der
brigadier
mit seiner Einladung einen Posten in seinem Team schmackhaft machen und ihn von Saint-Denis weglocken. Möglich auch, dass Isabelle an diesem Plan mitgewirkt hatte und wieder einmal unterschätzte, wie eng er sich mit dem Périgord verbunden fühlte. Er würde es nie über sich bringen, Gigi in einer kleinen Wohnung in Paris einzusperren. Bruno seufzte und versuchte, sich auf das Hier und Jetzt zu besinnen.
Da kam ihm Pamela in den Sinn. Vielleicht war auch sie ein guter Grund, im Périgord zu bleiben, obwohl er sich noch nicht so recht vorstellen konnte, wohin ihre - er suchte nach einem Wort, das mehr als Flirt und weniger als Affäre bedeutete -, wohin ihre Liaison führen mochte. Es war die spannende Aussicht auf neue Möglichkeiten, die ihn so sehr erregte, und darum freute er sich auf das, was kommen mochte, egal, mit welchem Ergebnis. Alles Weitere blieb abzuwarten. Jetzt hatte er anderes zu tun.
Er schaute wieder auf die E-Mail aus Québec. Jacqueline Duplessis hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen, und es lag auch nichts gegen sie vor. Sie führte ein untadeliges Leben. Bruno las noch einmal, was er sich in seinem Notizbuch über sie aufgeschrieben hatte: Geburtsdatum, Adresse, Angehörige, den Mädchennamen der Mutter... Fehlanzeige. Der stand nicht in Jacquelines Reisepass, wohl aber auf dem Ausdruck aus Québec. Jacquelines Mutter stammte aus den Vereinigten Staaten und hatte als Mädchen Sophia Maria Bondino geheißen.
Plötzlich nahm alles, was Bruno an Erkenntnissen gewonnen zu haben glaubte, eine andere
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