Grand Cru
würde er seine Zigarette an meinem Kopf anzünden.«
»Mich hat man früher mit Namen wie Liliputte oder Dreikäsehoch gehänselt, weil ich in meiner Klasse die Kleinste war«, sagte Dominique. »Nur Max hat mich nie so genannt und in seinem Beisein auch nicht zugelassen, dass mich andere so nennen.«
»Weißt du, ich war ein bisschen beunruhigt, als ihr aufs Gymnasium gewechselt seid«, sagte Stéphane. »Ich dachte, ihr beide, du und Max, wärt für euer Alter schon viel zu eng zusammen.«
»Dummchen«, erwiderte sie und tätschelte lächelnd sein Knie. »Zwischen uns ist nie was gelaufen, wenn du das meinst. Für mich war er wie ein Bruder.«
»Hattest du denn nichts dagegen, dass Max und Jacqueline miteinander gingen?«, fragte Bruno.
»Nein, aber ich fand's nicht nett von ihr, dass sie auch mit dem anderen, diesem Amerikaner, ausgegangen ist. Max hat sich mir anvertraut, und was ich von ihm gehört habe, war wirklich gemein.«
»Sie scheint über das Schlimmste hinweg zu sein«, flüsterte Pamela und deutete auf den Tisch vor der Kuppel, wo Jacqueline gerade ausgelassen lachte. »Ich glaube, sie hat sehr gelitten und sich deshalb umso mehr in ihre Arbeit gestürzt. Heute wollte ich ihr eine Tasse Kaffee bringen. Da lag sie auf ihrem Bett und schlief, offenbar ziemlich erschöpf!. Der Tisch war voller Bücher, Literatur über Weinanbau und Weinindustrie, dazu jede Menge Zeugs über diese Bondino-Gruppe, der der junge Amerikaner angehört. Sie will ja selbst ins Weingeschäft, deshalb war ich auch überrascht, dass sie ihn fallengelassen hat.«
Bruno merkte auf und fasste Pamela ins Auge. »Was meinen Sie mit >jede Menge Zeugs«
»Ich habe nicht genau hingeschaut, aber es waren offenbar Geschäftsberichte, Zeitungsartikel und etliche Fotos der Familie, mehrere Ordner voll, glaube ich jedenfalls, denn es war nur einer aufgeschlagen. Vermutlich hat sie all diese Informationen aus dem Internet zusammengetragen, um mehr über den zu erfahren, der ihr den Hof macht.«
»Finden Sie das normal? Ich meine, haben Sie sich als junge Frau auch so gründlich über Ihre Verehrer erkundigt?«
»Durchaus.« Pamela lächelte. »Allerdings nicht per Internet, das gab es damals noch nicht. Aber natürlich habe ich mich unter Freunden umgehört. Das ist doch ganz normal.«
»Hinter all dem, was Sie soeben aufgezählt haben, scheint mir ein bisschen mehr zu stecken - Familienfotos, dicke Ordner... «
»Ja, das hat mich selbst überrascht. Es ist eine regelrechte Materialsammlung für ein Forschungsprojekt. Richtige Fotos, nicht nur Porträts, sondern auch Gruppenaufnahmen, Schnappschüsse von der Familie, zum Teil aus den dreißiger oder vierziger Jahren. Ich glaube, die kann man inzwischen auch von Websites runterladen und ausdrucken.«
Bruno nickte. Er fand es mehr als seltsam, dass sich Jacqueline so für einen Mann interessierte, dem sie nach kurzem Kennenlernen den Laufpass gegeben hatte. Zugegeben, er war sehr reich. Vielleicht hatte sie das neugierig gemacht, zumal Max ein armer Schlucker war. Vielleicht hoffte sie auch, in Bondinos Unternehmen Karriere machen zu können. Das ergäbe durchaus Sinn. Wären da nicht die Fotos, die auf ein tiefer gehendes Interesse schließen ließen. Irgendetwas störte ihn an Jacqueline, und das war nicht nur ihre berechnende Art. Er würde sie noch einmal vernehmen müssen und vielleicht auch einen Blick in ihre Ordner werfen.
Dominique sammelte gebrauchte Pappteller ein und warf sie in einen großen schwarzen Plastiksack. Stéphane zog Pamela an den Händen hoch und führte sie zur Tanzfläche, als aus den Lautsprechern Lieder der Beach Boys erklangen. Alphonse schien spätestens mit der Gründung der Kommune das Sammeln von Schallplatten eingestellt zu haben. Dominique forderte Bruno zum Tanzen auf, und auch Alphonse und Céline waren wieder schwungvoll in Bewegung.
»Max hätte seinen Spaß gehabt«, sagte Dominique. »Solche Partys waren ganz nach seinem Geschmack.«
Als Françoise Hardy mit dem Lied
Tous les Garçons et les Filles
zu hören war und Alphonse mit Dominique tanzen wollte, steuerte Bruno geradewegs auf Pamela zu und legte den Arm um ihre Taille.
»Das ist schon eher meine Musik«, sagte Pamela. »Rock 'n' Roll war nie mein Fall.«
»Dann werden Sie jetzt auf Ihre Kosten kommen«, entgegnete Bruno. »Wie ich Alphonse kenne, wird er gleich Charles Trenet und danach ein paar langsame Nummern von Juliette Gréco und Yves Montand auflegen.«
»Das wird ja
Weitere Kostenlose Bücher