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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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erleichterte ihn, dass sie keinerlei Reue zu haben schien. Ebenso wenig wie er selbst.
    In prächtigem Ornat kam Pater Sentout aus der Sakristei. Er schüttelte dem Bürgermeister und den Angehörigen Cresseils die Hand, stellte sich dann vor den Sarg und hielt Andacht. Bruno kehrte nach draußen zurück, um sich zu vergewissern, dass Jean-Pierre, Bachelot und Marie-Louise, die alle drei fast so alt waren wie der Betrauerte, mit ihren Fahnen bereitstanden. Die Gendarmen hatten sich zu einer kleinen Ehrenwache formiert, und auch die Schulkapelle war inzwischen angetreten, um den kurzen Weg zum Kriegerdenkmal anzuführen.
    Als Bruno durch das Hauptportal in die Kirche zurückkehren wollte, kam ihm Jean-Jacques entgegen. »Ich habe gesehen, dass Sie rausgegangen sind«, sagte er und reichte Bruno einen Computerausdruck. »Das ist die Antwort aus Quebec.« Bruno hatte ihm am Vorabend eine sms mit der Bitte zugesandt, sich bei der Polizei von Québec über Jacqueline zu erkundigen. »Scheint sauber zu sein«, fügte Jean-Jacques hinzu. »Das heißt, sie hat weniger zu befürchten als ich. Der Präfekt ist sauer auf mich, und irgend so ein dahergelaufener Anwalt droht mir mit einer Klage, weil ich Bondino angeblich ungerechtfertigterweise festgenommen hätte.«
    Bruno widerstand der Versuchung, Jean-Jacques daran zu erinnern, dass er ihn gewarnt hatte. »Hat der Gerichtsmediziner immer noch keine eindeutigen Hinweise auf Fremdverschulden gefunden?«
    »Nein, und deshalb kann ich Bondino nicht länger festhalten. Wir haben zwar seine Fingerabdrücke und werden wohl demnächst auch den Beweis dafür haben, dass die Haare unter den Fingernägeln des Toten seine sind, aber solange nicht feststeht, dass ein Verbrechen vorliegt, ist Bondino frei, und ich sitze in der Patsche - so tief, dass ich hierherkommen musste, um mich bei Ihrem
capitaine
Duroc dafür zu entschuldigen, die Gendarmerie missbraucht zu haben. Der Präfekt besteht darauf.«
    »Die Polizei von Québec ist ja erstaunlich schnell. Ich hatte erst in einigen Tagen mit einer Antwort gerechnet.«
    »Ich habe unseren Freund, den
brigadier,
eingeschaltet. Zwei Stunden später war die Antwort da.«
    Die Musik schwoll an, als sich die Kirchenpforte öffnete. Angeführt von Pater Sentout und einem Jungen im weißen Messgewand, der ein großes Kreuz trug, brachten Raoul und die anderen Träger den Sarg nach draußen. Mit fliegenden Fahnen vorweg setzte sich die Prozession in Bewegung. Der Bürgermeister trug das Kissen mit Cresseils Orden. Die Gendarmen reihten sich hinter ihm ein. Ihnen folgten Cresseils Cousins aus Tulle sowie der Baron. Als dieser Bruno entdeckte, zeigte er heimlich mit dem Daumen nach oben. Anscheinend hatte er es geschafft, der Verwandtschaft den Anspruch auf das Erbe abzukaufen. Der Schulchor stimmte die Resistance-Hymne »Le Chant des Partisans« an und zog hinter der Trikolore, der Fahne von Saint-Denis und dem
Croix de Lorraine
- dem Symbol des freien Frankreich - im Gleichschritt über die Brücke in Richtung Kriegerdenkmal.
    Rollo, der Schulrektor, hatte seine älteren Schüler auf die Senioren aus dem Altenheim verteilt, damit sie ihnen zur Seite stünden. Die Alten schauten einander an, als sie vorsichtig aus der Kirche schlurften. Für Bruno schien es, als verrieten ihre Blicke Erleichterung darüber, dass ihre Zeit noch nicht gekommen war, gleichzeitig aber auch die ängstliche Frage, wer von ihnen wohl der Nächste sein würde.
    Den von der Stadt gespendeten Kranz hatte Bruno bereits zum Kriegerdenkmal gebracht, das die französischen Soldaten des Ersten Weltkriegs ehrte und mit einem glänzenden Adler aus Messing gekrönt war. Zwei weitere Kränze waren von den
compagnons de la résistance
und den
anciens combattants.
Es erfüllte Bruno mit Stolz, dass seine Stadt und die Nation ihrer Gefallenen gedachte und die junge Generation daran erinnerte, welchen Preis sie letztlich auch für deren Freiheit gezahlt hatten. Und er dachte, dass sich eine Gemeinde glücklich schätzen konnte, die es vermochte, Alte und Junge in gegenseitiger Zuneigung zusammenzuführen wie im Fall von Max und Cresseil. Umso schrecklicher war ihm der Gedanke, dass Cresseils letzter Blick wahrscheinlich auf den tot im Fass schwimmenden Jungen gerichtet gewesen war, den er geliebt hatte wie einen eigenen Sohn.
    Die Fahnen wurden zum Salut gesenkt. Der Bürgermeister legte nun seinen Kranz feierlich nieder. Für die
anciens combattants
folgten seinem Beispiel mit ihren

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