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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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immer besser«, freute sie sich und drehte eine Pirouette unter seiner ausgestreckten Hand. Vom Feuerschein beleuchtet, wirkte sie um Jahre jünger. Bruno nahm sie wieder in den Arm und fühlte den straffen, durchtrainierten Rücken der leidenschaftlichen Reiterin.
    »Ich habe Sie mir nie als Tänzer vorgestellt, sondern eher als Raufbold auf dem Rugbyfeld oder Draufgänger am Tennisnetz«, sagte sie.
    »Sie vergessen, dass ich auch Jäger bin«, entgegnete er, »in der Stille des Waldes, geduldig auf der Pirsch.«
    »Wie hätte ich das vergessen können!« Sie lachte und rückte näher. Er senkte den Kopf, schmiegte seine Wange an ihre und spürte ein kleines Zittern in ihrer Hand, die er hielt. Yves Montand sang
Feuilles Mortes,
und Pamela sang leise auf Englisch mit.
»The autumn leaves of red and gold... «
Sie hatte eine schöne weiche Altstimme.
    »War's Absicht oder ein Versehen, dass Sie mir nach Ihrem Abendessen einen Kuss auf die Lippen gegeben haben?«, flüsterte sie an seinem Ohr.
    »Ein Versehen, das ich sehr genossen habe«, antwortete er ehrlich. »Vielleicht war's auch ein Impuls, der mir die Richtung vorgegeben hat.«
    »Ja, so kam's mir vor. Schade nur, dass wir's nicht ausgekostet haben.«
    Er küsste ihren Nacken und spürte, wie sich ihre Arme um seinen Rücken schlangen.
    »Es hat mich den ganzen Weg zurück nach Hause gefuchst, dass ich ein solcher Angsthase gewesen war«, sagte er. »Doch dann musste ich mich um Bondino kümmern.«
    »Ah ja, Bondino und Jacqueline. Und der arme Max. Das Mädchen hat den beiden mächtig zugesetzt.« Schweigend bewegten sie sich zur Musik, ohne auf die anderen Tänzer zu achten. Nach einer Weile fragte sie: »Glauben Sie, dass man mit den Jahren vernünftiger in Sachen Liebe wird?«
    »Nein, nicht vernünftiger«, antwortete er. »Die Liebe verliert nicht an Kraft, im Gegenteil, aber vielleicht geht man ein bisschen vorsichtiger und empfindsamer damit um.«
    »Glauben Sie?«, flüsterte sie und streifte mit ihren Lippen seine Wange. »Ist es vielleicht so, dass wir uns mehr Gedanken darum machen und häufiger davon reden?«
    »Ich für mein Teil denke viel zu viel daran«, sagte er und küsste sie. Diesmal wandte sich keiner vom anderen ab. Der Feuerschein verglomm, und hell erstrahlten die Sterne am Himmel.

40
    Neben seiner üblichen Schreibarbeit und mehreren Telefonaten hatte Bruno den Vormittag darauf verwandt, Vorbereitungen für Cresseils Beisetzung zu treffen. Ein Resistance-Veteran, der sich 1945 mit der französischen Armee bis nach Deutschland durchgeschlagen hatte, verdiente militärische Ehren. Jetzt, da die Uhr der
mairie
die letzte Viertelstunde vor drei einläutete, ging Bruno hinunter in den Keller. Er holte Fahnen und die
Route-barrée-
Schilder hoch, um für den kleinen Umzug die Straße absperren zu können, die von der Kirche über das Kriegerdenkmal zum Friedhof führte, wo Cresseil neben seiner Annette zur letzten Ruhe gebettet werden sollte.
    Die Kirche war fast voll, als Bruno durch die Seitentür schlich. Raoul, der sich als Sargträger nützlich machte, wenn er nicht gerade auf dem Markt seinen Wein verkaufte, war mit seinen Kollegen in der kleinen Aussegnungshalle und band sich eine schwarze Krawatte um. Der Sarg stand auf einem Katafalk vor dem Altar, daneben ein Stuhl mit Kissen, auf dem die Orden und Abzeichen lagen, die Bruno aus dem Haus des Alten geholt hatte. In der ersten Bankreihe saßen der Bürgermeister und Xavier mit ihren Frauen sowie der Baron. Hinter ihnen hatten mehrere Fremde Platz genommen, wahrscheinlich Cresseils Angehörige. Bruno nickte Alphonse zu.

    Die Orgel spielte eine schwermütige Weise, ein Choralvorspiel von Bach, wie Bruno dem Programm entnahm. Er suchte in der Menge der Trauergäste nach Pamela. Mit zärtlichem Kuss und einem Lächeln, das voller Versprechen war, hatte sie sich am Vorabend von ihm verabschiedet und war mit Fabiola und Jacqueline in die Stadt zurückgefahren. Als er sie jetzt entdeckte, spürte er ein angenehmes Kribbeln. Sie trug ein dunkles Kopftuch, das auch die Hälfte ihres Gesichts verhüllte. Neben ihr saß Jacqueline mit offenen Haaren. Er musterte die beiden und bemerkte den Kontrast zwischen der reifen bezaubernden Frau und dem eher konventionell hübschen Mädchen. Als hätte sie seinen Blick gespürt, schaute Pamela zu ihm herüber. Sie lächelte und hob ganz leicht eine Augenbraue, wie um zu fragen, wie es mit ihrer Romanze nun weitergehen würde. Er nickte ihr zu, und es

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