Grand Cru
Bondino -, der 1957 in Kalifornien begann. Pamela blätterte durch juristische Schriftsätze, eidesstattliche Erklärungen, Anzeigen und Einsprüche und stieß auf einen Artikel des
San Francisco Examiner
vom 11. März 1958. Die Überschrift lautete »Bondinos Testament bestätigt«. Pamela las und übersetzte für Bruno:
»Hier steht: >Der älteste Sohn des verstorbenen Weinmagnaten Silvio Bondino muss auf seinen Anteil am Millionenerbe verzichten. Das Bezirksgericht von Napa Valley hat entschieden, dass das umstrittene Testament rechtmäßig ist.< Soll ich weiterlesen?«
»Nein, das weiß ich alles schon. Mit dem Erbstreit brach die Familie auseinander. Nach dem ursprünglichen Testament sollte der Besitz zu gleichen Teilen an die beiden Brüder gehen, doch dann tauchte überraschend dieses neue Testament auf«, sagte Bruno mit Blick auf eine Reihe weiterer Fotos, von denen manche schon reichlich vergilbt waren. Andere hatten gezackte Ränder wie alte Postkarten. Eines, einen Abzug in Sepia, hielt er in die Höhe. »Das ist der Gründer des Familienimperiums, Silvio als junger Mann. Seine Eltern siedelten Ende des 19. Jahrhunderts von Italien nach Kalifornien über. Er war damals noch ein Baby.« »Ein gutaussehender Mann.«
»Und sehr geschäftstüchtig. Er hat das Unternehmen unbeschadet durch die Prohibitionszeit geführt, als Alkohol verboten war, und später auch durch die Weltwirtschaftskrise. Sein jüngerer Sohn führt heute einen der größten Weinkonzerne der Welt. Der ältere ist leer ausgegangen und behauptet, dass das zweite Testament eine Fälschung sei.«
»Hier ist noch ein Zeitungsausschnitt. >Enterbter Bondino-Sohn im Auto tödlich verunglückt; kein Verdacht auf Fremdeinwirkung.< Aber irgendjemand scheint mit dieser Auslegung nicht einverstanden gewesen zu sein«, sagte Pamela. »An den Ausschnitt sind zwei Rechnungen geheftet, eine von einem Anwalt, die andere von einem Privatdetektiv, der in der Unfallsache ermittelt hat. Die Rechnung des Anwalts beläuft sich auf dreitausendzweihundert Dollar; ich glaube, das war 1958 eine ziemliche Stange Geld. Hier hätten wir den Bericht des Detektivs. Auf der letzten Seite heißt es: >Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unsere Nachforschungen ergebnislos geblieben sind.<«
»Die Witwe des Verstorbenen erstattete Anzeige wegen Mordes an ihrem Ehemann, kam damit aber nicht durch und hatte am Ende kein Geld mehr«, sagte Bruno. »Davon habe ich schon gelesen. Aber schau mal, dieses Foto, es ist dasselbe kleine Mädchen, 1957 aufgenommen, diesmal mit einer Frau. Auf der Rückseite steht
Maman et Grand-mère.
Und sieh dir jetzt einmal dieses Familienfoto hier an, entstanden Weihnachten 1956; es sind alle drauf, auch der alte Silvio. Die als
Grand-mère
bezeichnete Frau wird von
Grand-père
umarmt. Und nun schau dir mal dessen Gesicht genauer an und vergleich es mit dieser Porträtaufnahme oder dem Foto aus der Zeitung. Es ist ein und dieselbe Person. Jacquelines Großvater war der ältere Bruder, der durch ein zweifelhaftes Testament enterbt worden war. Die
grand-mère
war seine Witwe, die das Gerichtsverfahren angestrengt hatte. Jacqueline ist also die Enkelin des enterbten älteren Bruders, der bei einem fragwürdigen Verkehrsunfall ums Leben kam. Ich würde gern wissen, wie
Grand-mère
und
Maman
mit Namen hießen.«
»Auf der Rechnung des Detektivs steht eine Mrs. Maria Bondino, vier zwei vier neun Sunset Drive, Sausalito. Die Amerikaner haben unglaublich lange Straßen. Das muss die
Grand-mère
sein. Hier, der Kohledurchschlag eines Briefs von Maria an Francis vom 4. April 1958, also kurz nach dem abschlägigen Gerichtsurteil. Sie bittet um Geld >für die Schulausbildung deiner Nichte Sophia<. Das kleine Mädchen auf dem Foto hat wahrscheinlich einen Frankokanadier namens Duplessis geheiratet und wurde Jacquelines Mutter.«
»Damit wäre Jacqueline die Großnichte von Francis X. Bondino, des großen Mannes, der uns von all diesen Werbebroschüren seines Unternehmens angrinst. Und sein Sohn ist Jacquelines Großcousin - und gleichzeitig ihr Liebhaber.«
»Liebhaber?«, fragte Pamela erstaunt. »Davon hast du mir noch gar nichts erzählt. War er das vor oder nach Max?«
»Möglicherweise gleichzeitig, ich bin mir nicht sicher. Allerdings weiß ich, dass sie sich gezielt an Bondino herangemacht hat. Sie wusste, wann und warum er nach Saint-Denis kommen wollte. Und ihr war klar, dass sie mit ihrem Großcousin ins Bett geht. Fernando dagegen
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