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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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wie der dunkle Saft über ihre herrlichen weißen Beine rann - da hätte ich ihn am liebsten von ihr abgeschlürft, das kann ich Ihnen verraten. Ach, Bruno, sie war eine echte Schönheit, so zart und lebhaft. Das sah man schon daran, wie sie auf den Trauben herumhüpfte. Und ich war jung und kräftig und stolz darauf, beim Maquis in der Résistance gewesen zu sein, einer von denen, zu denen alle Mädchen voller Bewunderung aufblickten, weil wir gegen die Deutschen gekämpft hatten. Tja, Annette und ich, wir haben dann im November geheiratet, und unser Kind kam im Mai. Als es geboren wurde, war ich mit dem Militär im besetzten Deutschland.«
    »Und wie sind all die nackten Beine in der Kelter, all die Leidenschaft, mit der auf den Trauben herumgetrampelt wurde, dem Wein bekommen? Ist er dadurch besser geworden?«
    »Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mir bei jedem Glas, das ich getrunken habe, Annettes Beine in den Sinn gekommen sind. Und das tun sie noch immer.«

11
    Bruno war gespannt darauf, den Unternehmensberater aus Paris wiederzusehen, ließ sich aber nichts anmerken. Er gab Bondino, dem Amerikaner, die Hand und sah, wie Dupuy errötete. Als der Bürgermeister die beiden miteinander bekanntmachen wollte, sagte Bruno: »Wir sind uns schon begegnet - nicht wahr, Monsieur Dupuy? -, und ich kenne ihn als Connaisseur edler Weine.«
    Sie hatten sich im Ratsaal getroffen, einem länglichen Raum mit Glasdach, der an die
mairie
angebaut worden war und auf die alte Steinbrücke und die Flussbiegung hinausblickte. Bruno stellte fest, dass Fernando, der Juniorchef der Weingruppe Bondino, genauso groß war wie er selbst, aber ein bisschen fülliger, mit schütteren dunklen, sehr kurz geschnittenen Haaren. Um die dreißig, schätzte Bruno, auf jeden Fall Ende zwanzig. Fernando trug einen schwarzen Leinenanzug, ein weißes Seidenhemd mit offenem Kragen, am linken Handgelenk eine sichtlich teure Armbanduhr, am rechten ein Weißgoldkettchen und einen protzigen Ring am Ringfinger. Er zog einen schlanken Laptop aus seiner Aktentasche, schaltete ihn ein und legte die Kuppe seines Zeigefingers auf einen kleinen Sensor in der rechten unteren Ecke.
    Als er bemerkte, dass ihm Bruno dabei zusah, hob er den Finger und sagte, ohne eine Miene zu verziehen: »Zur Sicherheit.« Anscheinend war das Gerät nicht mit der sonst üblichen Passwortanmeldung zu starten, sondern nur über den Fingerabdruck des Besitzers. Bondino lehnte sich lässig zurück, schlug die Beine übereinander und wippte mit dem freien Fuß, als wollte er auf seine schwarzen Mokassins aufmerksam machen. Bruno fasste spontan eine Abneigung gegen ihn.
    »Meine Herren«, begann Dupuy, »ich möchte Sie vorweg um äußerste Diskretion bitten und darum, dass von unserem Gespräch nichts nach außen gelangt.« Er trug eine große Brille mit schwarzem Rand, einen dunkelblauen Anzug und eine hellrosafarbene Krawatte.
»Monsieur le Maire?«
    »Sie können sich auf unsere Diskretion in geschäftlichen Dingen verlassen, Monsieur«, antwortete der Bürgermeister. »Vielleicht bitten Sie Ihren Kollegen, mit diesem Ding aufzupassen. Der Tisch ist angeblich siebenhundert Jahre alt, älter als wir alle zusammen, und es wäre schade, wenn er Kratzer bekäme.«
    Bondino holte ein Hochglanzmagazin aus seiner Aktentasche und schob es unter den Laptop. Es war, wie Bruno registrierte, eine Ausgabe von
Marie-Claire Maison,
einer französischen Zeitschrift für Wohnideen, was darauf schließen ließ, dass er die französische Sprache beherrschte. Es sei denn, er war bloß an den Fotos interessiert.
    »Bondino Wines wurde vom Großvater des gegenwärtigen Vorstandsvorsitzenden Francis X. Bondino in Kalifornien gegründet -«, begann er.
    »Im Jahre 1906«, unterbrach ihn der Bürgermeister.
»Messieurs,
wir können uns eine längere Einleitung ersparen, denn selbst hier, im ländlichen Frankreich, ist man durchaus gut informiert. Wir wissen, dass Ihr Unternehmen in Südamerika und Südafrika aktiv ist und rund dreitausend Beschäftigte zählt. Kommen wir doch lieber gleich zur Sache.«
    Dupuy schien wieder das Wort ergreifen zu wollen, wurde aber von Bondino daran gehindert und mit einer Handbewegung aufgefordert, sich zu setzen.
    »Wir haben eigentlich nur eine Frage«, sagte Bondino mit starkem Akzent, aber in durchaus verständlichem Französisch. Sein Blick war auf den Bürgermeister gerichtet. »Wären Sie in der Lage, innerhalb der nächsten zwölf Monate aus Ihrem Tal

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