Grand Cru
wäre. Seine alte Knatterkiste ist nicht zu überhören.«
Bruno musterte den alten Mann und spürte, wie ihm Zweifel an diesem Alibi kamen, obwohl es kaum anfechtbar zu sein schien. Für sein Empfinden aber war der Alte zu schnell damit herausgerückt, und dass er dessen Aussage nicht trauen konnte, war Bruno geradezu peinlich. Jean-Jacques hatte ihm einmal gesagt, ein Polizist müsse immer davon ausgehen, belogen zu werden, doch genau damit tat sich Bruno schwer. Es war vielmehr seine Art, anderen einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, insbesondere denen, die er kannte, und er kannte fast alle Bewohner von Saint-Denis. Er war überzeugt, dass ihm die meisten anderen schon die Wahrheit sagten. Bruno hatte Max aufwachsen sehen und viele Stunden mit ihm auf dem Rugbyfeld zugebracht; ihm nicht glauben zu können wäre für Bruno besonders bitter. Er kratzte sich am Kopf und schaute dem Jungen ins Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht. Er musste ihm auf den Zahn fühlen.
»Das Motorrad hättest du ja auch stehenlassen können. Von hier aus ist es nicht weit bis zu diesem Versuchsfeld«, sagte er. »Du bist gut zu Fuß und hättest die Strecke locker im Dauerlauf geschafft.«
»Hätte ich, ja, aber ich hab's nicht gemacht«, entgegnete Max barsch und mit zorniger Miene. Dann fasste er sich. »Entschuldige, Bruno, aber du verdächtigst mich doch nicht wirklich, oder? Du fragst nur, weil du eben ein
flic
bist, stimmt's?«
»Hast du meine Augenbrauen gesehen, Max?«, sagte Bruno. »Sie sind abgeflämmt. Und der Rauch ist mir so sehr auf die Bronchien geschlagen, dass ich immer noch husten muss. Ich nehme diese Sache sehr persönlich, weil ich in diesem Feuer fast umgekommen wäre. Und, ja, ich bin eben auch ein
flic. «
»Tut mir leid«, sagte Max. Er betrachtete Bruno genauer und wirkte zerknirscht.
»Der oder die Brandstifter haben eine Art Bombe in dem Schuppen zurückgelassen, die hochgegangen ist, als einer der Feuerwehrleute dicht dran war. Wusstest du das?«
»Das ist doch...«, setzte Max an, doch dann presste er die Lippen zusammen, und Bruno fragte sich, was er hatte sagen wollen. »Das hat so nicht in den Zeitungen gestanden. Von einer Bombe weiß ich nichts.«
»Ein verschlossener Kanister, der noch halb voll Benzin ist und in einer Baracke deponiert wird, die man dann anzündet, geht wie eine Bombe hoch, wenn er nur heiß genug geworden ist. Das wissen Brandstifter. Manche legen es sogar darauf an, Einsatzkräfte der Feuerwehr auf diese Weise zu gefährden. Darum stehen darauf auch so lange Gefängnisstrafen.«
Max rührte sich nicht. Er wirkte entsetzt. Dann schüttelte er energisch den Kopf und sagte: »Von alldem weiß ich nichts.« Das Mädchen schaute ihn besorgt an, wie Bruno fand. Es gab nicht den geringsten Beweis, und trotzdem dachte Bruno unwillkürlich, dass er möglicherweise dem Schuldigen gegenüberstand. Er holte sein Handy aus der Tasche und tat so, als schaue er nach, ob neue sms gekommen seien. Tatsächlich aber drückte er die Schnellwahltaste für seinen Anrufbeantworter im Büro, der das Gespräch aufzeichnen würde.
»Ich nehme an, in der écolo-Szene wird viel darüber geredet«, fuhr Bruno fort. »Du hast bestimmt das eine oder andere aufgeschnappt. Was ist mit Dominique, deiner alten Freundin? Habt ihr über das Feuer gesprochen?«
»Klar, das habe ich dir doch schon gesagt«, unterbrach Alphonse. »Manchen von uns war dieses Versuchsfeld schon seit einiger Zeit suspekt.«
»Ich habe Max gefragt«, sagte Bruno mit Blick auf den Jungen.
»Wir unterhalten uns oft, per Telefon, E-Mail, sms und so. Sie ist eine gute Freundin, ja, aber mehr auch nicht.« Er lächelte Jacqueline zu und nahm sie bei der Hand. Ein hübsches Paar, die beiden. Das Mädchen warf einen Blick auf Bruno und schaute danach wieder Max in die Augen.
»Also, worüber habt ihr euch unterhalten. Gibt es deiner Meinung nach unter den
écolos
Spinner, die so etwas tun würden? Das Feuer hätte schnell auch auf die Felder von Dominiques Familie übergreifen können.«
»Wirklich? War's so gefährlich?«, fragte Max. Sein Erstaunen klang echt.
»Wäre mehr Wind und die Feuerwehr ein bisschen später zur Stelle gewesen, hätte es eine Katastrophe gegeben«, antwortete Bruno. »Fällt dir irgendwas ein?«
Der Junge zuckte mit den Achseln.
»Warum wurde auch die Baracke abgefackelt und nicht nur das Feld?«, hakte Bruno nach.
»Woher soll ich das wissen? Vielleicht sollten Unterlagen vernichtet werden ...« Max
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