Grand Cru
aber Duroc unterbrach ihn immer wieder mit verächtlichen Bemerkungen von der Fensterbank her. Als er schließlich vorschlug, den Bürgermeister anzurufen und bestätigen zu lassen, dass Alphonse ein mustergültiger Bürger war, zog der
brigadier
spöttisch die Augenbrauen hoch. »Alphonse ist ein verantwortungsbewusster Mann und wird, wie ich ihn kenne, sehr wohl bereit sein, Sie in Ihren Ermittlungen zu unterstützen, vorausgesetzt, er fühlt sich fair behandelt«, schloss Bruno, und selbst er fand, dass seine Worte lasch klangen.
»Mag ja sein, aber wir haben nicht die Zeit, unsere Zeugen mit Samthandschuhen anzufassen. Wenn er etwas weiß, soll er mit der Sprache herausrücken, und zwar bald«, erwiderte der
brigadier.
»Über wen wurde bekannt, dass das Institut gentechnische Versuche unternimmt?«
»Vielleicht über Dominique Suchet oder irgendeinen anderen Mitarbeiter des Instituts«, antwortete Bruno und fragte sich, wie er einem Außenseiter, der möglichst schnell jemanden verhaften und dann nach Paris zurückwollte, erklären konnte, was er über seine Freunde und Mitbewohner wusste.
»Dominique hat mir verraten, dass sie einem Chat-Forum aus
écolos
im Internet angehört und dort nach ihren Erfahrungen als Praktikantin im Institut als Befürworterin der Gentechnik Stellung bezieht.«
Bruno erinnerte sich plötzlich an etwas. Er holte sein zerfleddertes Notizbuch aus der Tasche und las, was er sich nach seinem Gespräch mit Dominique aufgeschrieben hatte. Er blickte auf. »Interessant. Dieses Chat-Forum nennt sich
Aquitaine Verte.
Es gibt also eine Verbindung zu diesem Internet-Newsletter aus Bordeaux.« Ihm war auf einmal sehr viel wohler zumute, denn es sah nun so aus, als führte die Spur weg von Saint-Denis. »Ich rufe besser gleich Jean-Jacques an und sage ihm Bescheid.«
»Schon passiert«, sagte
brigadier
Lannes. »Unsere Computerexperten in Paris sind seit den frühen Morgenstunden dabei, die Netzwerkprotokolle dieses Forums auszuwerten und sämtliche Beiträge seiner Benutzer zu durchforsten. E-Mails, Telefonnummern, Einlogdaten, Suchprotokolle, Transaktionsdaten mit Kreditkarte. Erstaunlich, welche Möglichkeiten der moderne Staat hat, wenn er seine Mittel gezielt einsetzt. Und wenn es Ihre Dominique Suchet war, die die Brandstifter, gezielt oder en passant, auf das Versuchsfeld aufmerksam gemacht hat, werden wir das nachweisen können.«
Der
brigadier
wandte sich an Duroc.
»Capitaine,
ich brauche Ihr Büro und möchte Sie bitten, dass Sie mir diesen Alphonse Vannes und Dominique Suchet hierherbringen. Mit den beiden möchte ich zuerst reden.«
»Sollen wir sie festnehmen?«
»Nein, natürlich nicht. Sie helfen uns nur bei unseren Untersuchungen. Aber lassen Sie ihre Computer beschlagnahmen.«
»Und wenn sie sich weigern zu kommen?«
»Dann müssen Sie ihnen gut zureden.« Er richtete den Blick zurück auf Bruno. »Diese alten Achtundsechziger haben doch meistens Drogen zu Hause. Es wäre ganz nützlich, wenn wir so etwas auch gegen Vannes in der Hand hätten. Was meinen Sie?«
»Alphonse hat damit bestimmt nichts mehr am Hut«, antwortete Bruno. »Und auch bei den Jüngeren kann ich mir das nicht vorstellen. Die spielen lieber Rugby. Außerdem wäre eine Razzia wahrscheinlich kontraproduktiv. Wir haben mehr davon, wenn Alphonse freiwillig mit uns zusammenarbeitet.«
Der
brigadier
musterte Bruno lange mit stechendem Blick. »Solange Sie nicht vergessen, auf welcher Seite Sie stehen, sind Sie an den Ermittlungen beteiligt.« Dann wandte er sich wieder Duroc zu. »Knöpfen Sie sich diese jungen Rugbyfreunde mal vor. Es würde mich nicht wundern, wenn ihre Eltern sie zu eifrigen kleinen
écolos
erzogen hätten. Und dann kommen die übrigen Bewohner von Saint-Denis dran, einer nach dem anderen, bis Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Erkundigen Sie sich unter anderem, wer mit Karte telefoniert.«
Bruno beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie der
brigadier
einen Laptop mit stoßfestem Gehäuse aus der Tasche zog, ans Netz anschloss und den Bildschirm aufklappte. Duroc und Bruno waren entlassen. Duroc bestellte sich an der Rezeption einen Wagen, um Alphonse und Dominique abzuholen. Bruno ging zurück zur
mairie
und dachte an die Sonderermittler in Paris, die jetzt fremde E-Mails lasen, Telefonanrufe zurückverfolgten und wahrscheinlich auch das eine oder andere Gespräch belauschten. Womöglich hatten sie sich auch schon auf Dominiques Handy aufschalten lassen. Am liebsten hätte er sie
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