Grand Cru
für Saint-Denis erhebliche Veränderungen mit sich bringen würden. Trotzdem war der
brigadier
sein unmittelbares Problem. Für Bruno war es wie eine persönliche Niederlage, dass Dominique und Alphonse, zwei Freunde, für die er sich verantwortlich fühlte, von einem Wichtigtuer aus Paris in die Mangel genommen werden sollten, was umso ärgerlicher war, als sich sein Verdacht gegen Max erhärtet hatte.
Und es würde wahrscheinlich noch schlimmer kommen. Mit Alphonse und Dominique war es nicht getan. Bestimmt nähme sich der
brigadier
anschließend Max vor, und wenn die hohen Herren in Paris nervös würden, würden alle Bewohner von Saint-Denis zu kleinen Bauern in einem großen Schachspiel. Mit seiner Wut kam die alte Bitterkeit zurück, die er zurückzulassen gehofft hatte, als er aus dem Militärdienst ausgeschieden war. Auch er und seine Kameraden waren nur Bauern in einem großen Schachspiel gewesen, als sie mit unzureichender Ausrüstung in Bosnien einen Frieden schützen sollten, den es gar nicht gab, stattdessen aber Granatfeuer und Heckenschützen, denen Bruno einen Treffer in der Hüfte verdankte.
Er war auf dem oberen Treppenabsatz stehengeblieben und starrte auf die verschlossene Tür zu den Büros des Bürgermeisteramtes. Um größeren Schaden von Saint-Denis abzuwenden, galt es, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären, wenn nötig, im Alleingang. Max stand unter dringendem Tatverdacht. Bruno würde, auch wenn er sich noch so sehr dagegen sträubte, das Alibi, das Cresseil dem Jungen gegeben hatte, widerlegen, ihn zu einem Geständnis überreden oder ihm eine Falle stellen müssen. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Bruno die schwere Tür zum Vorzimmer, nickte Claire, die ihn freudig grüßte, nur flüchtig zu und klopfte beim Bürgermeister an, der die Tür zu seinem Büro halb offen gelassen hatte.
»Am besten ist, Sie kooperieren«, meinte Gérard Mangin, als Bruno ihm von seiner Begegnung mit dem
brigadier
berichtet hatte. »Ich habe Jean-Jacques bereits zugesichert, dass Sie sich an den Ermittlungen beteiligen, und es geht ja doch um ein und denselben Fall. Denken Sie nur an Bondinos abschließende Bemerkung: je schneller die Sache aufgeklärt wird, desto besser. - Gut, dass Sie gekommen sind, ich wollte Sie nämlich etwas fragen, wegen dieser Adoptionsanfrage. Ich würde ja Cresseil gern behilflich sein, aber es gibt da ein Problem. Sein Land ist Teil der Fläche, die Bondino mit unserer Hilfe kaufen will. Vielleicht sollten Sie mit dem Alten noch mal reden und vorfühlen, wie er dazu steht. In seinem Zustand wird er wahrscheinlich noch vor Jahresende ins Heim müssen. Es würde ihn bestimmt erleichtern, wenn er wüsste, dass für Max gesorgt ist. Deshalb schlage ich vor, Sie sprechen mit Bondino und bewegen ihn dazu, dem Jungen einen Job in Aussicht zu stellen oder mit einem Stipendium unter die Arme zu greifen. Irgendwas in der Art. Wenn Max ins Weingeschäft will, wäre das ein guter Einstieg.«
Auf dem Weg ins eigene Büro dachte Bruno über den schlauen Einfall des Bürgermeisters nach. Ein von Bondino finanziertes Stipendium wäre für Max natürlich ein verlockendes Angebot, von dem er allerdings nur dann etwas haben würde, wenn er auf freiem Fuß bliebe. Gleichzeitig hatte der Bürgermeister aber mit seinem Vorschlag durchblicken lassen, dass er Cresseils Adoptionswunsch nicht nachkommen wollte. Anscheinend war er entschlossen, Bondinos Projekt zu unterstützen. Die wirtschaftliche Zukunft der Stadt wäre über Generationen hinaus gesichert. Aber warum schmeckte Bruno die Sache nicht? Fürchtete er einfach nur, dass auf die Gemeinde, die er so liebgewonnen hatte, Veränderungen zukommen würden, die ihm womöglich nicht passten? Er schaltete seinen Computer ein. Ganz obenauf in der Liste der eingegangenen Nachrichten stand der Name von Isabelle. In ihrer E-Mail hieß es: »Fahre ins Périgord. Hast du am Wochenende frei?«
Bruno ließ sich in die Lehne zurückfallen, verblüfft und ein wenig verunsichert über die heftigen Gefühle, die ihn befielen. Ich bin doch ein erwachsener Mensch, sagte er sich, und kein frischverliebter Teenager. Ich werde bald vierzig, und Isabelle und ich sind uns doch einig, dass sich ihre beruflichen Ambitionen und meine Verbundenheit mit Saint-Denis nicht miteinander vereinbaren lassen. Jetzt kündigt sie ihren Besuch an, und mein Herz schlägt Purzelbäume. Ich könnte platzen vor Freude.
Er las die E-Mail noch einmal und suchte in den acht
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