Grand Cru
über ihren Vater gewarnt, aber wenn sie zu erkennen gäbe, vorbereitet zu sein, oder womöglich schon jetzt einen Anwalt einschaltete, würde sie sich wohl nur zusätzlich in Verdacht bringen.
13
In gedrückter Stimmung schlug Bruno den kleinen Umweg von der Gendarmerie zur Feuerwache ein, fühlte sich aber gleich wieder ein bisschen besser, als ihm vorm Kindergarten ein fröhliches Hallo entgegenschallte. Wie immer um die Mittagszeit hatten sich dort junge Mütter mit Kinderwagen und Einkaufstaschen versammelt, um miteinander zu tratschen und den anderen ihren jüngsten Nachwuchs zu präsentieren, während sie darauf warteten, dass die Schulglocke läutete und die Kleinen als kreischende Horde durchs Tor drängen würden. Bruno hielt die hohe Geburtenrate von Saint-Denis für ein sicheres Indiz dafür, dass es der Gemeinde gutging. Er tippte mit zwei Fingerspitzen an den Schirm seiner Mütze und trat auf die Straße hinaus, um an den Müttern vorbeizukommen.
Ahmed war in der Feuerwache und führte ihn hoch in Alberts Büro. Er hatte in der Nacht des Brandanschlags den Notruf entgegengenommen. Weil es leider keine Aufzeichnung davon gab, hoffte Bruno, dass sich Ahmeds Gedächtnis ein bisschen auf die Sprünge helfen lassen würde.
»Wie gesagt«, wiederholte Ahmed, als sie vor Alberts vollgepacktem Schreibtisch standen, »es hat geklungen, als würde er durch ein Taschentuch sprechen, irgendwie dumpf und kaum zu verstehen.«
»Erinnerst du dich, was genau er gesagt hat?«
Albert schob ihnen einen Notizblock hin. »Das hier hat Ahmed aufgeschrieben.« Es waren bloß ein paar Stichwörter - Feuer. Scheune. Feld. Hinterm Wald. Straße nach Saint-Cham. Vor Saint-Cyp rechts ab. »Ich habe ihn noch nach seinem Namen und seiner Adresse gefragt«, ergänzte Ahmed. »Aber er sagte nur was von der Telefonzelle in Coux und legte auf.«
»Na schön, versuch dich an seine Stimme zu erinnern, und dann hör dir das hier an«, sagte Bruno und wählte auf Alberts altem Wählscheibentelefon die eigene Büronummer sowie den Abhörcode des Anrufbeantworters, um die gespeicherten Nachrichten abzurufen. »Die Tonqualität ist nicht die beste. Du hörst zuerst meinen Spruch und dann die Stimme eines Mannes. Ich will wissen, ob sie wie die des Anrufers von Coux klingt.«
Ahmed hielt den Hörer ans Ohr und lauschte angestrengt mit geschlossenen Augen. »Kannst du das noch mal ablaufen lassen?«, fragte er, als der kurze Mitschnitt des Gesprächs auf Cresseils Hof zu Ende war. »Ich habe kaum was mitgekriegt.«
Bruno legte auf und wählte dieselbe Nummer noch mal. Diesmal hörte Ahmed mit geöffneten Augen hin und bewegte die Lippen, als spräche er das Gesagte lautlos mit. Albert saß auf seinem Sessel, starrte Achmed an und rührte sich nicht. Bis auf die dünnen, knisternden Geräusche, die durch den Hörer drangen, war es absolut still im Raum. Bruno bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte.
»Noch mal«, sagte Ahmed und reichte Bruno den Hörer. »Irgendwie kommt mir die Stimme bekannt vor. Vielleicht spricht da jemand, der mir schon mal begegnet ist. Trotzdem, versuchen wir's noch einmal.«
»So oft du willst.« Bruno wählte erneut.
»Du glaubst, es war der Anrufer selbst, der das Feuer gelegt hat, stimmt's?«, fragte Albert.
»Könnte sein«, antwortete Bruno und reichte Ahmed den Hörer ein drittes Mal.
Wieder sickerten dünne Stimmen aus dem kleinen Lautsprecher an Ahmeds Ohr. Draußen vorm Fenster waren Kinder zu hören, die aus der Schule kamen, und dann fing die I2-Uhr-Sirene zu heulen an.
»Ich kann's nicht beschwören«, sagte Ahmed. »Aber ich glaube, er ist es. Wie er das Wort >Feuer< ausspricht... Könnte allerdings auch sein, dass ich ihn vom Rugby her kenne. Er ist einer von uns, nicht wahr, aus Saint-Denis?«
»Keine Sorge, Ahmed. Du wirst nicht gegen ihn aussagen müssen«, beruhigte Bruno. »Falls es denn überhaupt so weit kommt.«
»Vielleicht lässt sich der Bürgermeister von unserem kleinen Experiment überzeugen und sieht im nächsten Haushaltsplan eine neue Telefonanlage für uns vor«, sagte Albert. »Eine, die eingehende Anrufe automatisch aufzeichnet.«
»Aber vorher bekomme ich einen neuen Transporter«, entgegnete Bruno.
Als er die Stufen vorm Eingang der
mairie
emporstieg, hatte Bruno das ungute Gefühl, seinen Einfluss auf die Angelegenheiten der Stadt zu verlieren. Was ihm zu schaffen machte, war weniger die Ankunft des
brigadiers
als vielmehr dieser Bondino, der Pläne hatte, die
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