Grand Cru
eine der Scheiben mit einem Lappen zu putzen, was aber offensichtlich sinnlos war. Er verschmierte nur alles. Die Tür zum Gewächshaus stand offen. Im Innern war es dunkel.
»Wie lange können Ihre Pflanzen ohne Licht auskommen?«, fragte Bruno.
»Eine Woche vielleicht«, antwortete Petitbon. »Aber das ist nicht der Punkt. Wenn wir nicht kontinuierlich die Veränderungen der Pflanzen beobachten können, sind all unsere Aufzeichnungen Makulatur. Und dieses Zeug geht nicht ab, weder mit Wasser noch mit Terpentin. Scheint eine Spezialfarbe zu sein.«
»Da ist ganze Arbeit geleistet worden«, bemerkte der Bürgermeister mit Blick auf die roten Spritzer und die weiße Front. »Auf der anderen Seite sieht's genauso aus.«
Bruno folgte Isabelle ins Gewächshaus. Dort war es brütend warm. Der beißende Gestank der Farbe überlagerte die vertrauten Gerüche von Erde und Grün. Aus den Fenstern im Dach, die man zur Belüftung aufgeklappt hatte, war weiße Farbe auf die Rabatten darunter getropft.
»Ein ziemlich schlauer Akt von Sabotage«, sagte Isabelle. »Still und leise und ohne dass die Alarmanlage reagiert hätte.«
»Haben Sie sich schon die Aufnahmen der Überwachungskameras ansehen können?«, fragte Bruno den Institutsleiter.
»Ja, sofort. Aber die geben nicht viel her. Kommen Sie, ich zeig Ihnen, warum.«
Er führte sie zum alten Haus und deutete auf eine Kamera über dem Eingang, die mit Farbe bespritzt und außer Funktion gesetzt worden war.
»So sehen die anderen auch aus«, sagte Petitbon. »Nur an die Kamera oben am Schornstein sind sie nicht herangekommen. Ich wollte mir gerade ansehen, was sie aufgenommen hat, als der Bürgermeister kam. Los, schauen wir mal! «
Die Bilder waren sehr körnig, aber trotzdem von recht guter Qualität und, wie an der mitlaufenden Uhr erkennbar, kurz nach zwei aufgenommen worden. Zu sehen war eine Gestalt, die einen Overall mit Kapuze und Schutzbrille trug und sich mit langsamen, vorsichtigen Schritten von der Seite auf das Gewächshaus zubewegte. Sie schleppte ein schweres Gepäckstück auf dem Rücken, wahrscheinlich einen Farbkanister, und hielt eine Spritze mit langer Tülle in der Hand, die einen feinen weißen Nebel versprühte, als die Gestalt mit der anderen Hand eine Pumpe bediente. Nach einer Weile verschwand die Person hinter der Ecke des Gewächshauses und kam erst nach einigen Minuten auf der anderen Seite wieder zum Vorschein.
»In der Aufmachung würde ich nicht einmal meine eigene Frau wiedererkennen«, meinte der Bürgermeister.
»Da war jede Menge Farbe nötig«, sagte Bruno. »Als er aus dem Bild verschwunden ist, hat er vielleicht den Kanister aufgefüllt. Und das ganze Zeug wird er unmöglich zu Fuß herbeigeschafft haben.« Auch nicht auf einem Motorrad, fügte er im Stillen hinzu. »Es musste also irgendwo in der Nähe ein Auto stehen.«
»Die Kette am Seitentor wurde geknackt«, erklärte Petitbon. »Aber das hat diese eine Kamera nicht im Blick. Wahrscheinlich ist er da rein.«
»Überprüfen Sie, ob auf den Videos der anderen Kameras was zu sehen ist, bevor sie bespritzt worden sind«, sagte Bruno. »Ich schau mir mal das Seitentor an.«
Die Kette hätte von jedem normalen Bolzenschneider geknackt werden können. Interessanter waren die Reifenspuren, zwei weiße Streifen, die sich auf dem Rasen hinter dem Tor verloren. Bruno maß den Abstand - zu breit für einen Pkw. Jean-Jacques' Leute würden den Fahrzeugtyp wahrscheinlich identifizieren können, vielleicht sogar das Reifenprofil. Es gab auch Fußabdrücke im Gras und neben dem Gewächshaus, die aber keine klaren Konturen erkennen ließen. Womöglich hatte sich der Täter irgendetwas um die Schuhe gewickelt. Weitere Indizien waren nicht zu finden, nicht einmal ein leerer Farbkanister.
Isabelle versiegelte gerade einen kleinen Beweismittelbeutel, gefüllt mit einer Farbprobe, die sie von der Gewächshaustür geschabt hatte. Die Laboranten machten sich mit verschiedenen Lösungsmitteln daran zu schaffen, schienen aber keinen Erfolg zu haben und vermuteten, dass wahrscheinlich ein spezieller Zementanstrich verwendet worden war. Petitbon saß, den Kopf auf die Hand gestützt, in seinem Büro und telefonierte.
»Oui, Monsieur, oui, Monsieur...«,
murmelte er bekümmert.
Der Bürgermeister schob Bruno diskret beiseite. »Ahnen Sie, was jetzt folgt? Bondino wird sich zurückziehen. Zuerst die Demo und jetzt das hier. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass das Projekt geplatzt ist,
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