Grand Cru
Eisen im Feuer. Er winkte ihr zu und widmete sich wieder seinen Knirpsen, um sie für die letzte Viertelstunde zu einem Spiel zehn gegen zehn antreten zu lassen. Mit der Geduld, die er sich über die Jahre als Trainer angeeignet hatte, stellte er auf jeder Seite je fünf Spieler in die Hintermannschaft und fünf in den Sturm. Er selbst legte als Scrum-half beider Teams den Ball ins Gedränge, nahm ihn, wenn er dann daraus hervorkullerte, auf und spielte ihn einem der Backs zu.
»So hat er's auch mir beigebracht«, erklärte Max seiner Freundin, als Bruno keuchend und erschöpft auf die beiden zukam, nachdem er an der Grundlinie noch jedem Knirps zum Abschied die Hand geschüttelt hatte. Bruno ließ sich von Max dabei helfen, eine der Leitern beiseitezuräumen, die von den Anstreichern stehengelassen worden waren und den Weg zur Umkleide versperrten.
Max hatte sich schon sein Trikot in den Farben von Saint-Denis - königsblaues Hemd und weiße Hose - angezogen. Jacqueline trug Jeans und eine ärmellose weiße Bluse, die ihre gebräunten Oberarme besonders gut zur Geltung brachte.
Die anderen Mädchen auf der Tribüne, die alle mit Max zur Schule gegangen waren, beäugten Jacqueline verstohlen und sahen, wie sie ihren Arm um Max' schlanke Hüfte legte. Falls sie denn gestern Abend noch Streit gehabt hatten, war davon nichts mehr zu spüren.
»Sie sehen toll aus, Jacqueline«, sagte Bruno. »Das Traubentreten scheint Ihnen gut bekommen zu sein.«
»Danke, das Kompliment kann ich an Sie zurückgeben. Ich sehe, Sie halten sich fit«, entgegnete sie lächelnd. »Wir springen gleich in den Fluss. Max führt mich an seine Lieblingsstelle, wo er nach dem Training immer hingeht. Da picknicken wir dann auch und gehen anschließend aufs Feld, um seine Trauben zu ernten.« Wohl eher die von Cresseil, dachte Bruno, doch der Junge ließ die Worte seiner Freundin unkommentiert und himmelte sie an.
»Aber zuerst muss er trainieren«, sagte Bruno, als Max' Mitspieler aus der Kabine kamen und aufs Feld liefen.
»Oob-la-la«,
grölten sie und
»Allez, Max«,
als sie Jacqueline sahen. Max gab ihr einen Kuss auf die Wange und lief den anderen hinterher. Bruno nickte Jacqueline freundlich zu und erinnerte sich daran, wie eng sie am Abend zuvor mit Bondino getanzt hatte und dann auch mit ihm abgezogen war. Eine sehr kontaktfreudige junge Frau, diese Kanadierin, kokett und nicht besonders wählerisch. Und sie war, wie Bruno glaubte, nicht annähernd so verliebt in Max wie er in sie. Auf dem Weg zur Dusche ging ihm ein Zitat durch den Kopf, an das er sich nur noch sinngemäß erinnern konnte und nach dem es in der Liebe immer einen gibt, der küsst, und einen, der geküsst wird.
Er war noch dabei, sich abzutrocknen, als die Tür zum Duschraum aufflog und Isabelle hereingestürmt kam, die er eigentlich in der Gendarmerie vermutet hatte. Sie brachte ihm seine Stiefel, Hemd und Hose und sagte, er solle sich schnell anziehen.
»Es hat einen Überfall auf das Forschungsinstitut gegeben«, erklärte sie und stopfte seine Sportsachen in einen Plastikbeutel. »Da müssen wir jetzt hin.«
»Aber ich habe einen Termin in der
mairie«,
entgegnete Bruno, fragte sich aber bereits, was die Überwachungskameras wohl diesmal festgehalten hatten.
»Ich habe mit dem Bürgermeister gesprochen. Das Treffen ist abgesagt. Er will auch zum Institut rauskommen.« Sie hetzte Bruno durch das kleine Stadion, schwang sich hinter das Steuer ihres Autos und raste mit Blaulicht los. »Einer der Angestellten wollte die Bewässerungsautomatik kontrollieren, und da sah er die Bescherung. Er rief seinen Chef an, und der hat sofort die Gendarmerie verständigt. Jean-Jacques ist bereits informiert und mit der Spurensicherung auf dem Weg. Dem
brigadier
konnte ich nur eine Nachricht hinterlassen. Sobald wir mehr wissen, muss ich auch das Ministerium verständigen.«
Bruno wusste nicht, was ihn erwartete. Vielleicht hatte es einen weiteren Brandanschlag gegeben oder einen Einbruch. Als sie durchs Tor des Forschungsinstituts fuhren, wirkte auf den ersten Blick alles normal. Dann sahen sie den Bürgermeister, Petitbon und mehrere Techniker vor dem langen Gewächshaus stehen, das mit einer dicken Schicht frisch aufgetragener weißer Farbe überzogen war.
An der Vorderseite waren noch die roten Kleckse von der Demo zu erkennen, doch alle anderen Flächen, das Dach und die Seiten, erstrahlten in grellem Weiß. Petitbon hatte eine Flasche Terpentin in der Hand und versuchte,
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