Grand Cru
hat mich rechtzeitig gewarnt. Ich wusste nicht, dass gärender Wein so gefährlich sein kann.«
»Max war ein tüchtiger Junge«, sagte Hubert, »ein echter Weinkenner und gut im Verkauf. Er und Jacqueline haben sich großartig ergänzt und konnten die Touristen immer von den besseren Weinen überzeugen. Ich hatte ihm angeboten, fest für mich zu arbeiten, wenn er sein Diplom hat.«
»Ich werde mich jetzt um Jacqueline kümmern. Du hast jede Menge Kundschaft.«
»Ich weiß. Ich wollte dich nur fragen, ob's bei unserer Verabredung bleibt. Oder sollen wir unser Essen verschieben? Der Wein schmeckt auch noch in einer Woche.«
»Ja, aber nicht meine
becasses«,
entgegnete Bruno. »Ich habe sie heute Morgen aus dem Gefrierschrank geholt, und es wäre zu schade um sie. Außerdem, ein bisschen Ablenkung täte uns allen bestimmt ganz gut. - Ich schlage vor, es bleibt dabei.«
Bruno machte sich auf den Weg und bedauerte, dass Pamela dem Mädchen aus Kanada bereits gesagt hatte, was geschehen war. Er hätte Jacquelines Reaktion gern selbst gesehen, um Aufschluss darüber zu gewinnen, ob Max für sie nur ein Techtelmechtel gewesen war oder so wichtig wie sie für ihn. So eng, wie sie mit Bondino getanzt hatte, zweifelte er daran, aber vielleicht sah man das in Amerika anders.
Bruno freute sich jedes Mal aufs Neue, wenn er auf Pamelas Anwesen zufuhr, über die Hügelkuppe kam und das Gehöft mit seinen Stallungen und die Pferdekoppel im Tal erblickte. Abgesehen vom Swimmingpool und dem Auto, das vor dem Haus parkte, schien sich hier seit zweihundert Jahren kaum etwas verändert zu haben. Als er in den Hof einbog, sah er Jacquelines Fahrrad auf dem Kiesweg liegen. Pamela hatte ihn offenbar kommen hören, denn sie öffnete die Küchentür, als er aus dem Wagen stieg. Sie trug immer noch ihre mostbespritzte Reiterkluft, und die Haare quollen wild unter dem Helm hervor.
»Schön, zu sehen, dass es Ihnen gutgeht«, begann sie. »Ich habe mir große Sorgen um Sie gemacht. Aber sollten Sie nicht lieber doch einen Tag freinehmen?«
»Mit mir ist alles in Ordnung. Gegen die Kopfschmerzen habe ich Aspirin und ein Glas Armagnac genommen. Das hilft immer. Wie geht es Jacqueline?«
»Schlecht. Aber immerhin hat sie sich ein bisschen beruhigt. Kommen Sie, wir haben gerade Tee getrunken und sind in der Küche. Ich müsste mal kurz duschen und mir was anderes anziehen, wollte sie aber nicht allein lassen.«
Jacqueline begrüßte ihn mit einem schiefen Lächeln. Mit den verquollenen Augen, der roten Nase und einem durchnässten, zerknüllten Taschentuch in der Hand sah sie wie ein Häufchen Elend aus. Das sorglose hübsche Mädchen, das auf dem Rugbyplatz seinen Arm um Max' Hüfte geschlungen hatte, oder die zornige junge Frau zwischen den Kampfhähnen in der Bar - von beidem war nichts mehr übrig geblieben.
»Ich hätte bei ihm bleiben sollen«, schluchzte sie. »Dann wäre das nicht passiert.«
»Max wird uns allen fehlen«, sagte Bruno. Es erleichterte ihn ein wenig, dass es nun keinen Prozess gegen Max geben würde, geschweige denn eine Haftstrafe noch den Medienrummel, der zu erwarten gewesen wäre, wenn die
écolos
versucht hätten, ihn zum Helden zu stilisieren.
»Verrückt und blöd, so zu sterben, erstickt am eigenen Wein«, sagte sie. »Gestern war er noch hier, und vorgestern, als er mir beim Einzug geholfen hat. Ich habe noch gar nicht alles ausgepackt. Manche Kartons stehen noch da, wo er sie hingestellt hat.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie zu Pamela schon Kontakt aufgenommen hatten.«
»Gleich, nachdem wir uns im Rugby Stadion getroffen hatten«, erwiderte sie und führte das feuchte Taschentuch an die Nase. Bruno reichte ihr seines, und sie nahm es dankbar entgegen. »Max hatte ihre Nummer auf seinem Handy gespeichert. Ich hab sie sofort angerufen und bin wenig später eingezogen. Wir haben sogar darüber nachgedacht, das Schlafzimmer neu zu streichen.« Ihre Stimme wurde brüchig.
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, fragte Bruno. »Wollten Sie ihm nicht bei der Weinlese helfen?«
»Ja, aber er hatte diesen Fimmel und wollte ernten, wenn es dunkel und kühler ist. Das war mir zu spät, ich hab stattdessen meine Sachen ausgepackt.« Sie gab Bruno das Taschentuch zurück. »Danke, dass Sie gekommen sind. Mir geht's hier ganz gut. Pamela ist sehr freundlich, sie leistet mir Gesellschaff und meint, dass ich was tun und mich ablenken soll. Ich werde morgen wohl wieder arbeiten gehen.«
»Gefällt es
Weitere Kostenlose Bücher