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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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es nicht mehr lange. Ich muss aber auch an die Weinlese denken, ans Hotel, das Personal. Mein Küchenchef ist gegangen, stattdessen hab ich eine Aushilfe mit einem Billigdiplom von irgendeiner Berufsförderungsmaßnahme, aber die kann nicht mal zwischen Mehlschwitze und Mett unterscheiden. Ich komme mit meinen Raten nicht mehr nach, und das Geschäft geht schlecht. Himmel, es geht mir dreckig. Aber schön, dass du gekommen bist, Bruno. Ich habe seit Ewigkeiten kein freundliches Gesicht mehr gesehen.«
    »Tut mir wirklich leid um Mirabelle. Kann ich sie sehen? Oder schläft sie gerade?«
    »Wohl kaum, die verdammten Blagen draußen im Pool geben einfach keine Ruhe. Aber ich weiß nicht, wie es ihr gerade geht. Sie hat nicht mal Pater Sentout sehen wollen.« Julien drehte sich um, ging den Korridor entlang und steckte den Kopf durch die hinterste Tür. Bruno hörte ihn etwas murmeln, dann winkte er. Unter der Tür ergriff Bruno seinen Arm.
    »Hör zu, Julien, ich schlage vor, du springst inzwischen unter die Dusche«, sagte er. »Du muffelst wie ein alter Ziegenbock. Das hat Mirabelle bestimmt nicht gern. Und zieh dir saubere Sachen an. Hörst du? So, und jetzt ab mit dir, sonst schmeiß ich dich in den Pool.«
    Bruno trat in das abgedunkelte Zimmer. Es war heiß und stickig. Der Lärm der Kinder drang durch die verschlossenen Fenster. Eine dünne Stimme fragte: »Bist du's wirklich, Bruno?«
    »Ja, meine Liebe.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und ergriff eine feuchtkalte Hand. Sie trug eine Mütze auf dem Kopf. Die Bettwäsche hätte längst gewechselt werden müssen. »Tut mir leid, dass es dir so schlecht geht, aber ich bin sicher, bald wirst du wieder auf den Beinen sein und tanzen. Und dazu singst du dann
>Je suis seule ce soir<,
dein Lieblingslied, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Ach, Bruno, ich werde wohl nie wieder tanzen. Aber wenn ich dich um was bitten darf, so pass ein bisschen auf Julien auf. Er ist völlig durch den Wind, und wenn er nicht aufpasst, geht hier alles den Bach runter.«
    »Hat der Doktor gesagt, du sollst im Bett bleiben?«
    »Ja, so ungefähr. Er sagte, ich würde sehr müde sein und dürfe mich nicht überanstrengen. Die Chemotherapie hat mich ziemlich mitgenommen, und ich habe alle Haare verloren. So kann ich mich draußen nicht mehr zeigen.«
    Bruno ging ans Fenster, das bis zum Boden reichte, zog die Vorhänge beiseite und öffnete beide Flügel. Die Kinder waren verschwunden. Er blickte in einen kleinen, von einer Mauer umschlossenen Garten in hellem Sonnenschein. Am Fuß des Bettes stand eine Chaiselongue. Bruno bugsierte sie nach draußen. Dann kehrte er zum Bett zurück, hob Mirabelle mitsamt ihrer Bettwäsche auf und trug sie hinaus an die frische Luft. Geblendet von der Sonne, kniff sie die Augen zu. Bruno legte sie auf die Chaiselongue, nahm seine Sonnenbrille aus der Brusttasche und setzte sie ihr auf.
    »Es ist wunderschön hier draußen, Mirabelle. Riech mal, wie es duftet.«
    »Ach, Bruno, ich kann nichts riechen, ich kann nichts schmecken und auch nichts essen.«
    »Das wirst du aber wieder. Versuch's. Mach die Augen zu, wir atmen jetzt gemeinsam. Komm, tief Luft holen und langsam ausströmen lassen! Spürst du das laue Lüftchen auf der Wange?« Sie schüttelte den Kopf. Er nahm ihr die Sonnenbrille von den Augen, befeuchtete seinen Zeigefinger an der Zunge und fuhr damit über ihre Lider. »Aber jetzt kannst du es spüren, nicht wahr?«
    »Ja, ja«, hauchte sie. Er setzte ihr die Sonnenbrille wieder auf.
    »Julien ist ein alter Hornochse«, sagte sie in einem so zärtlichen Tonfall, dass er ihre Worte Lügen strafte. »Er will alles verkaufen, weißt du, und mich in die Schweiz bringen. Er hat da im Internet jemanden gefunden, der Wunder verspricht. Die Arzte in Bordeaux haben mich vor solchen Scharlatanen gewarnt, sie würden ihm nur sein ganzes Geld abknöpfen. Ich möchte lieber hierbleiben, Bruno, und will, dass alles so bleibt, wie es ist.«
    Ihre Stimme wurde wieder schwächer. »Kümmerst du dich um ihn, Bruno?« Wenig später schien sie eingeschlafen zu sein. Bruno betrachtete ihr wächsernes, gelbliches Gesicht, bis Julien heraus in den Garten kam, frisch rasiert und umgezogen.
    »Na bitte, so erkennt man dich wenigstens wieder«, sagte Bruno. »Sie schläft.«
    »Sie schläft viel. Wie kommt's eigentlich, dass sie hier draußen ist? Sie hat sich immer dagegen gesträubt.«
    »Ich habe sie gar nicht erst gefragt und einfach rausgetragen. Und es gefällt

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