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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Kathedrale weiterzubauen, schon weil sich an der Westseite, also da, wo das Langhaus längst hätte folgen müssen, seit Menschengedenken aber nur Stützsäulen und eine Holzwand den Chorbau begrenzten, die Mauern der Kathedrale sich bedrohlich neigten. Als aber 1488 wieder einmal ein Bischof starb, entzündete sich an der Frage seiner Nachfolge ein fast ein Jahrzehnt dauernder, abermals lähmender Streit zwischen Domkapitel und auswärtigen Kräften, darunter König Karl VIII.
    Um 1500 aber wurde die unfertige, wenngleich instandgesetzte Rumpfkathedrale von Beauvais endlich wieder zur geschäftigen Baustelle, und das mittlerweile fast drei Jahrhunderte alte Projekt sollte nun doch noch vollendet werden. Zeitgleich wurde auch der zerstörte Bischofspalast in prächtiger Ausführung wieder aufgebaut. Die zweite große Bauphase von Saint-Pierre dauerte ein halbes Jahrhundert, und ihren maßgeblichen Architekten kennen wir beim Namen, denn es handelt sich um einen der Großen der französischen Spätgotik: Martin Chambiges. Er kam aus Paris, war schon über vierzig, als er den Auftrag bekam, und hatte zuvor am Querschiff der Kathedrale von Sens mitgewirkt. Zunächst war er wohl als Gutachter nach Beauvais gebeten worden, muss aber dabei seine Befähigung unter Beweis gestellt und sich so den Auftrag zur Ausführung gesichert haben. Vermutlich war ausschlaggebend, dass Chambiges nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein befähigter Bauingenieur war. Es war ja kein leichtes Unterfangen, einen zweieinhalb Jahrhunderte alten Kathedralbau weiterzuführen und sowohl bautechnisch als auch stilistisch den Anschluss zu schaffen. Die letzte Bauphase der Spätgotik wird mit dem Zusatz flamboyant bezeichnet, also »flammenförmig« – wegen der züngelnd überlängerten Formen am Maßwerk. Während seiner Tätigkeit in Beauvais arbeitete Chambiges auch an den Kathe­dralen von Troyes und Senlis, was zu Streitereien zwischen den jeweiligen Bauherren um die Anwesenheit des Meisters führte.
    Während ursprünglich die Initiative zum Bau der Kathedrale von Beauvais – die weiterhin nichts Geringeres werden sollte als die größte der Christenheit – von einem Fürstbischof der Stadt ausgegangen war, dessen Nachfolger die Errichtung des Chores bis zum Einsturz von 1284 unternommen hatten, drängte nunmehr das Domkapitel zur Vollendung des steckengebliebenen Projekts. Der Bau bot ja auch keinen erfreulichen Anblick: Das 50 Meter hoch aufragende Gebäude war vom Grundriss her zu klein, als dass man hätte übersehen können, dass da ein gehöriges Stück fehlte. Zwar war der Chor bedeutend größer als bei vielen anderen Gotteshäusern, bot also genügend Platz für die Gläubigen. Aber eine Kathedrale, die nur aus Chor und Querschiff bestand, war bei aller Pracht der Ausführung nun einmal unvollständig – wie eine unvollendete Symphonie, die nach einem krönenden letzten Satz verlangt. Zudem war ein steter Dorn im Auge der Kleriker und Bürger von Beauvais, dass Amiens seine Bischofskirche vollendet hatte. Die Stadt lag nahe genug, sodass mancher die Konkurrenzkathedrale gesehen haben – und zu Hause beschämt davon berichtet haben mochte. Da half wenig, dass das Kirchendach in Beauvais ein paar Meter höher war als das von Amiens.
    Vermutlich wäre das Unternehmen auch längst tatkräftig in Angriff genommen worden, hätten die Verhältnisse es zugelassen. Im Unterschied zum Domkapitel aber brachten die Bischöfe entweder nicht die Mittel oder den Willen auf, sich angemessen zu beteiligen – sie taten es letztlich zumeist doch, mussten aber von den Domherren immer wieder dazu aufgefordert werden. 1511 führte das Kapitel wegen des Streits um die Kostenübernahme in Paris sogar einen Prozess gegen den eigenen Bischof. Die finanziellen Schwierigkeiten setzten sich fort, aber es taten sich auch immer wieder neue Geldquellen auf. 1518 gewährte der Papst einen Ablass, 1522 sprang gar der König der Stadt zur Seite und schickte auf eigene Rechnung zusätzliche Maurer.

Ein neuer Superlativ
    Die Arbeiten begannen mit der Errichtung des südlichen Arms des Querschiffs, dessen überaus eindrucksvolles Portal 1509 vollendet wurde. Es ziert über dem Eingang eine riesige Fensterrose, die hoch über der Altstadt von Beauvais thronte. Sodann wurde, bedeutend weniger aufwendig, das Nordportal zur Stadtmauer hin errichtet und der nördliche Teil des Querhauses begonnen. Für die Bauarbeiten musste nunmehr ein weiterer Teil des

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