Grandios gescheitert
überzeugte Pazifist zusammen mit weiteren bekannten Friedensaktivisten an Bord eines Schiffes namens Oscar auf dem Weg nach Europa, um dem Morden in der Alten Welt ein Ende zu machen. Die Aktion verlief erfolglos, und nach dem Kriegseintritt der USA 1917 stellte Ford ohne großes Federlesen seine Fabriken auf Rüstungsproduktion um.
Es sind die widersprüchlichen Persönlichkeiten, die im Weltgedächtnis besonders gut haften bleiben, und Henry Ford steckte zweifellos voller Widersprüche. Obwohl er mit stattlichen Löhnen seinen Arbeitern den Besitz eines Autos ermöglichte und ihnen viele Wohltaten zukommen ließ, degradierte seine Fließbandfertigung den Arbeiter zum stumpfen Roboter, dessen Handgriffe zum Wohl der Effizienz exakt festgelegt waren. Damit stellte er ungewollt eine Frage, die bis heute ihre Brisanz bewahrt: Ist der Mensch Subjekt oder Objekt im System der Marktwirtschaft? Ein anderer Widerspruch wurde leitmotivisch für sein Leben und Arbeiten: Obwohl (oder weil) er dem Weg der USA ins Massenzeitalter tatkräftig zu einem maßgeblichen Schub verhalf, trachtete er doch stets danach, Fabrik und Scholle miteinander zu versöhnen. Ohne industrielle Entwicklung gab es für ihn keinen Fortschritt, aber ohne Tradition und Wurzeln war für ihn der Fortschritt unnütz.
Ford strebte danach, sein Land und am liebsten die Menschheit von seiner ganzheitlichen Sendung zu überzeugen, dass Industrie und Landarbeit ein Team seien. Ford wollte nicht nur, dass seine Arbeiter nach seiner Fasson selig wurden, also im eigenen Garten Gemüse anbauten, auf Alkohol verzichteten und in anständigen Häusern wohnten. Er wollte, darin ganz der Industrielle mit landwirtschaftlichen Wurzeln, die Segnungen und Strukturen der Industrie mit dem Einfachen, Bodenständigen, Kleinteiligen des Landlebens versöhnen. Das zielte auf nichts Geringeres als einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, obwohl Ford wie sonst kaum jemand der Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit mit der Fließbandproduktion und streng normierten Arbeitsgängen Vorschub geleistet hatte. Und doch wollte der Tycoon den entfesselten Kapitalismus wieder bändigen wie Goethes Zauberlehrling seinen Besen.
Sein Interesse im Amazonas war daher auch das des idealistischen, selbstgewissen Weltverbesserers, der die elenden Lebensverhältnisse der Menschen am Tapajós zum Besseren wenden wollte. Die Segnungen der industrialisierten Zivilisation sollten den Bewohnern des Amazonas zugutekommen, wenigstens denen, die ihr betrübliches, perspektivloses Dasein im Einzugsgebiet der Ford-Besitzungen fristeten. Vielleicht bewog ihn dieser Drang, sein Vorhaben auch dann noch zu verfolgen, als der eigentliche Anlass dafür gar nicht mehr bestand. Das britische Kartell begann nämlich, noch bevor es im Amazonas richtig losging, seinen Zweck zu verfehlen, und Kautschuk wurde billiger, weil die zunächst hohen Preise vielerorts Pflanzer veranlassten, ihre Produktion auszubauen. Tatsächlich sank der Preis für Rohkautschuk unter den der Vorkriegsjahre. Trotzdem sah Ford keine Veranlassung, sein Projekt noch im Keim zu ersticken.
Die brasilianische Regierung empfing den Industriellen mit offenen Armen – zu diesem Zeitpunkt lag der Anteil brasilianischen Kautschuks am Weltmarkt auf dem Allzeittief von nur 2,3 Prozent – 20 Jahre zuvor waren es noch 94,4 Prozent gewesen. Brasilien erhoffte sich die Wiederbelebung des Kautschukbooms, der so jäh geendet hatte, als die Briten mit ihrem Plantagenkautschuk den Markt überschwemmten, und einen Entwicklungsschub für den chronisch unterentwickelten Norden des riesigen Landes. Man wollte aber nicht das alte System der Kautschukgewinnung wiederaufnehmen, sondern mit Plantagen nach dem südostasiatischen Vorbild verlorene Marktanteile zurückgewinnen. Dafür schien Henry Fords US-amerikanischer Unternehmergeist im Verbund mit seiner Finanzkraft als geeigneter Kandidat. Ganz abgesehen davon, dass die Ford Company sich in Lateinamerika längst breitgemacht hatte und das Modell T ganz ähnlich wie zuvor in den ländlichen Gegenden der USA auch auf den unwirtlichen Straßen und Pisten entlegener Landstriche der riesigen brasilianischen Landmassen zum gefragten Allroundvehikel geworden war. Und zumal seit der brasilianischen Ausgabe von Fords Autobiographie Mein Leben und Werk war der Mann auch hier eine weithin verehrte Berühmtheit, die in den Augen vieler die richtigen Rezepte für die wirtschaftliche Entwicklung des größten
Weitere Kostenlose Bücher