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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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lateinamerikanischen Landes zu bieten hatte. Grund genug, Fords Blick zum Amazonas die richtige Richtung zu geben und daraus einen Handschlag zu machen: ein Deal im beiderseitigen Interesse.
    Die Größenordnung des Projekts war schon durch seine räumlichen Ausmaße beeindruckend: Über 10.000 Quadratkilometer umfassten die Ford’schen Besitzungen – eine Fläche größer als die der Mittelmeerinsel Zypern. Von der Handelsmetropole Belém an der Amazonasmündung waren es sechs Tage Fahrt auf dem Boot, erst westwärts in Richtung der einstigen Kautschuk-Kapitale Manaus, dann aber auf halber Strecke bei Santarém in südlicher Richtung auf dem Tapajós, mit knapp 2.000 Kilometer Länge einer der wichtigsten Zulieferer des mächtigsten Flusssystems der Erde. Der Preis war bescheiden: Gerade mal 125.000 US-Dollar musste der Industrielle auf den Tisch legen. Und der Deal war in Rekordzeit perfekt: Keine drei Monate der Verhandlungen vor Ort bedurfte es, bis Ende September 1927 alle Papiere unterschriftsreif waren. Nach dem fix absolvierten Vertragsabschluss aber ging nichts mehr so glatt und rasch vonstatten.
     

Großprojekt ohne Masterplan
    Ob man Ford nun gewogen war oder nicht – dass der Mann die Sache richtig anpacken würde, stellte wohl kaum jemand in Frage, weder in den USA noch in Brasilien. Und wohl auch nicht, dass dieses Anpacken kompetent und planvoll vor sich gehen würde, jeder wohlüberlegte Schritt der ambitionierten Unternehmung auf den vorherigen aufbauen und in absehbaren Etappen die Eckpfeiler einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte sichtbar werden würden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass ein US-Industrieller, der reichste Mann der Welt, ein hochkarätiges Expertenteam berufen würde, um die notwendigen Schritte generalstabsmäßig vorzubereiten, also Wirtschaftsberater mit guter Brasilienkenntnis, erfahrene Manager von Großprojekten, Regenwaldfachleute, Geographen und Geologen sowie weitere Fachleute verschiedenster Disziplinen. Ein Vorhaben dieser Größenordnung, zumal auf so schwierigem Terrain wie dem des Amazonasregenwaldes, verlangte nach einem durchdachten Masterplan. Den aber gab es gar nicht.
    Wer Henry Ford kannte, hätte gewarnt sein können. Wie ein Feldherr, der in einen Krieg zieht, ohne Karten studiert und die Stärke des Feindes in Erfahrung gebracht zu haben, machte sich der Automobilgigant an sein Kautschuk-Abenteuer. Er hegte keine Zweifel, dass er mit seinen brasilianischen Plantagen Erfolg haben würde. Überaus siegessicher, zog er ein Scheitern gar nicht in Erwägung – ja, er prüfte nicht einmal die spezifischen Bedingungen und Hindernisse vor Ort, die der Umsetzung im Wege stehen könnten. Und wenn man als Kern des Ganzen den Aufbau ertragreicher Kautschukplantagen verstand, musste vor allem dieser Teil des Projekts gut vorbereitet sein: von der Auswahl des Terrains über die Ermittlung der geeignetsten Baumarten bis hin zur ergiebigsten Zapfart mit dem richtigen Werkzeug. Da es sich nicht um die erste Plantage handelte, hätte man auf bereits gewonnene Erkenntnisse anderswo zurückgreifen können. Die Fachleute in Südostasien konnten auf ein halbes Jahrhundert an Erfahrung verweisen. Auch dass andere vor ihm im Amazonas mit dem Aufbau von Plantagen gescheitert waren, ließ Ford gänzlich unbeeindruckt. Als Selfmademan mit einfacher Schulbildung, deren Lücken zu überheblichem Gespött der gebildeten Schichten geführt hatten, pflegte er eine ausgeprägte Abneigung gegen Experten und vertrat eher den entschlossen zupackenden als den planvoll-bedächtigen Unternehmer. Insgesamt erweckt die Ford’sche Strategie den Eindruck, als seien nur einige wenige Aspekte in Gesprächen des Ford-Managements besprochen und eine Chronologie nur grob festgelegt worden. Tatsächlich war es also zunächst nicht der widerspenstige Amazonas, der dem Erfolg des Unternehmens im Wege stand. Sein Status als größter Industrieller und die Art seines Aufstiegs schienen Ford zwar recht zu geben, das Projekt unkonventionell anzugehen. Aber damit ging er ein immenses Risiko ein.
    Es kam, wie es kommen musste: Probleme bestimmten die Agenda. Die Fortschritte ließen sich Zeit, überwundene Widerstände wuchsen nach wie die Köpfe der Hydra und die
    Geduld der zuständigen Männer in Dearborn, Michigan wurde auf eine harte Probe gestellt. In einer Mischung aus überzogener Selbstgewissheit, Blauäugigkeit und fordtypischer hemdsärmeliger Herangehensweise machte sich eine Truppe aus Detroit

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