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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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an die Arbeit im Dschungel. Fassungslos mussten brasilianische Beobachter mit ansehen, wie diese Abgesandten der Firma Ford, die wie niemand sonst für Effektivität und straffes Management stand, am Amazonas einen Arbeitsstil an den Tag legten, der allenfalls und mit viel Schönfärberei eine Art kreatives Chaos zum Ziel haben konnte. Eigentlich waren schon bei den Verhandlungen die Augenbrauen der brasilianischen Gesprächspartner voller Unverständnis nach oben geschnellt. Die Vertreter Fords hatten nämlich strikte Anweisung, den ehrenhaften Prinzipien ihres Arbeitgebers zu folgen und weder jemanden zu bestechen, noch auch nur die harmloseste Form von Lobbyarbeit zu betreiben. Das aber widersprach den brasilianischen Usancen und erwies sich als Indiz für die verhängnisvollen Geburtsfehler des ehrgeizigen Projekts. Auch schiere Unfähigkeit seitens der Ford-Beauftragten stellte von Anfang an ein Problem dar. So ließ man mit dem brasilianischen Bundesstaat Pará ausgehandelte Privilegien, darunter vor allem die Steuerbefreiung für den Import der Ausrüstung, die man für den Aufbau der Plantage benötigte, nicht von der Bundesregierung in Rio de Janeiro bestätigen, weshalb sie keine Gültigkeit erlangten. Das sollte sich als keineswegs unerheblich erweisen, denn die Ford Company schickte alles, bis hin zum Sägewerk und einer Eisenbahn, aus den Vereinigten Staaten an den Tapajós.
    Zumindest über den ersten notwendigen Schritt bestand kein Zweifel: die Rodung großer Urwaldflächen, um Unterkünfte bauen zu können und erste Pflanzungen anzulegen. Allerdings waren die mitgeführten Gerätschaften zur Rodung und Planierung des Geländes dem feuchten Klima nicht gewachsen und versagten den Dienst. Übereilt und fahrlässig hatte Ford außerdem kalkuliert, die Kosten des Aufbaus von Fordlandia wären durch den Verkauf der gerodeten Bäume mühelos wieder hereinzuholen. Auch das misslang kläglich. Zwar erhielt Fordlandia das größte Sägewerk Brasiliens, doch zum einen eignete sich das Holz ganz überwiegend nicht zur Verarbeitung, weil es zu hart war. Zum anderen verrottete der Großteil des dafür geeigneten Bestandes während der Lagerung, denn wegen der abgeschiedenen Lage Fordlandias und monatelangem Niedrigwasser des Tapajós konnte es nicht sogleich abtransportiert werden. Andere Holzsorten wiederum durften gar nicht exportiert werden. Weitere Pläne sahen vor, Karosserieteile aus Holz vor Ort zu produzieren, ebenso Ziegel für den Hausbau in der Region. Zu den Versprechungen brasilianischen Behörden gegenüber hatte auch die Fabrikation von Autoreifen und Schläuchen gehört. Nicht der einzige, aber ein wesentlicher Grund dafür, dass daraus nichts wurde, waren die enormen Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zu gewinnen. Denn die Rekrutierung einheimischer Arbeitskräfte hatte sich längst als überaus problematisch erwiesen. Das Amazonasbecken ist sehr dünn besiedelt, und Menschen aus weiter entfernten Gegenden wurden von den Bedingungen im Urwald abgeschreckt. Wer aus wirtschaftsschwachen Regionen im brasilianischen Norden stammte und gewillt war, anderswo sein Glück zu versuchen, zog eher in die wachsenden Industriestädte des Südens. Eine ausreichende Anzahl an Arbeitern zu gewinnen war also von Anfang an aussichtslos und konnte zu keinem Zeitpunkt umgesetzt werden.
    Aber auch bei den US-amerikanischen Mitarbeitern im Amazonas gab es viel Fluktuation, was dem Fortschritt beim Bau der Siedlung und dem Aufbau einer Plantage hinderlich sein musste. Viele vertrugen das Klima nicht, und die Abgeschiedenheit von Fordlandia, das heißt ohne Zerstreuungen, wie man sie aus den USA gewohnt war, empfanden andere als zu große Belastung. Schon der erste Manager verließ seine neue Wirkungsstätte nach seiner Ankunft mehr oder weniger postwendend. Auch seine Nachfolger blieben nicht lange, mal gingen sie freiwillig, mal wurden sie wegen Unfähigkeit abberufen. Da nachkommende Ford-Entsandte sich ihrerseits akklimatisieren und mit den regionalen Bedingungen vertraut machen mussten, verrann wertvolle Zeit, und sowohl terminliche als auch finanzielle Erwartungen an Fordlandia erwiesen sich schon sehr bald als obsolet. Ein Masterplan hätte Neuankömmlingen ermöglicht, den Faden der Arbeit rasch wiederaufzunehmen – so aber musste sich jeder ganz neu einarbeiten. Und jeder war mit dem Maßstab der Aufgabe und der mangelnden Vorbereitung auf die eine oder andere Weise überfordert. Ein Ford-Abgesandter schrieb

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