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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Edsel der junge Henry Ford II die Firmengeschäfte, dessen striktem Sparkurs die Besitzungen im Regenwald zum Opfer fielen. Zu diesem Zeitpunkt bezifferte man die Ford-Investitionen in Fordlandia und Belterra auf insgesamt stattliche 25 Millionen US-Dollar, ohne dass man damit jemals in kommerzieller Größenordnung Kautschuk gewonnen hätte. Kaum ein Jahr, in dem mehr als 1.000 Tonnen Rohkautschuk produziert worden wären. Für gerade einmal eine halbe Million Dollar verkaufte Henry Ford II an den brasilianischen Staat, der ohne Erfolg noch für eine Weile sein Glück mit dem Kautschukanbau versuchte, bis man sich am Tapajós auf die Viehzucht verlegte.
    Heute ist Fordlandia ein gleichzeitig gespenstischer und anrührender Ort. Von einem Großteil der einstigen Ford’schen Besitzungen hat die Natur Besitz ergriffen, der Asphalt hat vor der Kraft des Pflanzenwachstums kapituliert. Das Krankenhaus aber ist noch intakt, nur fehlen für die Apparaturen aus den Dreißigerjahren die Patienten. Noch immer unverkennbar hat hier jemand ein Stück Vereinigte Staaten in den Regenwald verpflanzen wollen. Henry Ford starb hochbetagt 1947. Das Versuchslabor seines Missionseifers und seiner Bemühungen um wirtschaftliche Autarkie, das seinen Namen trug, hat er nie besucht.

 

Wie ein rasender Triumph
HITLERS BREITSPURBAHN
    Im März 1943 erschien in der deutschen Illustrierten Signal , ­einer in Stil und Aussehen dem US-amerikanischen Life Magazine nachempfundenen, inhaltlich jedoch auf Nazi-Propaganda getrimmten Zeitschrift, ein in mehrerlei Hinsicht bemerkenswerter Artikel. Unter der Überschrift »Aus 9 wird 1 – Bericht über ein sensationelles Eisenbahnprojekt« beschrieb der ungenannte Verfasser das Vorhaben der Deutschen Reichsbahn, eine neue Eisenbahn auf vergrößerter Spurweite zu bauen. Nichts weniger werde damit erreicht als »die Revolutionierung eines gewaltigen Teils im gesamten Weltverkehr. (…) Dieser Schritt wird getan werden, und die Eisenbahn wird damit eine phantastisch anmutende Umwälzung erfahren.«
    Eindrucksvolle Zeichnungen lieferten den Größenvergleich mit der herkömmlichen Eisenbahn gleich mit: »So groß wie neun normale D-Zug-Wagen ist jeder einzelne Wagen des imponierenden Fernzuges. Die Personenwagen haben je 1.450 Kubikmeter Rauminhalt und fassen in zweistöckiger Ausführung 60 Abteile mit Sitzplätzen für 480 Personen. (Ein D-Zug heutiger Bauart hat nur 160 Kubikmeter Rauminhalt.) Ein Güterzug von 15 Wagen mit je 25 Meter Länge kann so viel Güter transportieren wie ein ansehnliches Frachtschiff von 7.000 bis 8.000 BRT.« Stolz vermerkt der Artikel, ein geplanter »Mammutbahnhof« für den neuen Zug wäre so lang wie die Pariser Champs-Élysées, die Wege zum Zug so weit, dass Rollbänder den Passagieren das Laufen abnehmen müssten. »Von hier aus startet der 800 m lange Zug mit 4.000 Passagieren zu einer Fahrt quer über den europäischen und asiatischen Kontinent. Auf Schienen mit vier Meter Spurweite erreicht der Zug schon in 8 bis 10 Minuten seine normale Geschwindigkeit von 250 Kilometern in der Stunde. Das alles ist keine Utopie, sondern ein Projekt, an dem Verkehrswissenschaftler und Techniker ernsthaft arbeiten und das ohne Zweifel Wirklichkeit werden wird.«
    Der Artikel dürfte bei den zuständigen Stellen für einige Verärgerung gesorgt haben, denn das Projekt unterlag strengster Geheimhaltung und war daher kein Gegenstand der Propaganda und schon gar nicht der freien Berichterstattung. Deshalb ist die Breitspurbahn bis heute eines der weniger bekannten unter den Großprojekten des nationalsozialistischen Deutschland – ganz im Unterschied zum »KdF-Wagen«, für den man seit 1938 sparen konnte, auch wenn er erst nach dem Krieg und dann ideologisch entschlackt als VW Käfer auf den Markt kam, oder zur Reichsautobahn, die immerhin gebaut wurde, wenn auch das Fahrzeugaufkommen darauf sehr übersichtlich blieb. Außerdem begann die Planung für die Breitspurbahn erst sehr spät, nämlich mitten im Zweiten Weltkrieg. Im Deutschen Reich sollte sie einstweilen kein Thema sein, weil angesichts der enormen Kriegsanstrengungen nicht zuletzt der Reichsbahn umfängliche Planungen für ein solches Projekt und für die Zeit nach dem Krieg schwer vermittelbar erschienen.
    Ob die Redaktion des Signal durch eigene Recherche oder durch gezielte Indiskretion seitens des Reichsverkehrsministeriums Wind von der Sache bekommen hatte, lässt sich nicht mehr ermitteln. Sogar die sonst

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