Grandios gescheitert
das nicht nur die Ausrichtung auf das »Altreich«, sondern auch die Erfüllung größerer Aufgaben, weil neue Transportwege hinzukamen: aus den rumänischen Ölfeldern, aus den Kohlegruben des Donezbeckens. Schon wegen der alliierten Seeblockade waren vor allem die Liefergebiete im Osten Europas mit ihren großen Vorkommen an Rohstoffen unverzichtbar. Es ging um den »Großverkehr auf dem Kontinent«, und der Kontinent war weitgehend deutsch. Dass er es nicht lange bleiben würde, kam in der Vorstellungswelt Hitlers nicht vor. Nach dem Krieg aber, so kalkulierte er, musste der Kontinent weiterhin autark bleiben, einen Welthandel zog Hitler nicht in Betracht. An Wassertransportwegen war ihm dabei nicht gelegen, weder den Binnen- noch den Überseetransport erachtete er als zukunftsfähig – ganz im Unterschied zu Straße, Schiene und Luftverkehr. Den Massentransport nach dem »Endsieg« sollte das Verkehrsmittel Eisenbahn übernehmen.
Die Experten der Reichsbahn sahen keine Notwendigkeit, für die gestellte Aufgabe die bewährte europäische Normalspur aufzugeben. Höhere Zuglasten und Geschwindigkeiten könnten auch auf bestehender Spurweite problemlos erreicht werden. 1939 bereits hatte eine Untersuchung des Ministerialrats im Reichsverkehrsministerium Günther Wiens vorgeschlagen, das bestehende Bahnnetz durch ein Schnellbahnnetz zu ergänzen. Viergleisig sollten Schnellzüge aus dem Rhein-Main- und dem Ruhrgebiet bis nach Ostpreußen bzw. Schlesien sowie von Hamburg nach Bayern verkehren, dabei nur in ausgewählten Bahnhöfen halten und für den Personenverkehr eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern erreichen. Personen- und Güterverkehr sollten jeweils eigene Gleise bekommen. Von einer Änderung der Spurweite war auch da keine Rede.
Die Reichsspurbahn des Führers
Als im Oktober 1941 Hitler dem Autobahnbauer und Rüstungsminister Fritz Todt von seiner Idee einer Breitspurbahn für die Führerstädte erzählte, soll Todt vorgeschlagen haben, für den eroberten Osten Europas nicht nur, wie beschlossen, dreispurige Autobahnen planen zu lassen, sondern für den Güterverkehr eine »Reichsspurbahn«, um die Rohstoffe aus der Ukraine, aus Russland und Rumänien nach Deutschland transportieren zu können. Die Reichsautobahn wollte er für den Personenverkehr reservieren und den Güterverkehr vollständig über die Schiene abwickeln lassen. Das war ein gutes Vierteljahr nach dem Überfall auf die Sowjetunion und kurz vor ihrem erwarteten Zusammenbruch – der dann aber nicht eintrat. Hitler war sogleich begeistert.
Seither geisterte die Idee einer Breitspur durch Eisenbahn-Publikationen und die Kantinengespräche der Bahningenieure. Der Chronist des Breitspurbahnprojekts, Anton Joachimsthaler, spricht von einer regelrechten Breitspurpsychose, die damals eingesetzt habe, weil Gutachter und Ingenieure sich mit ihren Vorschlägen gegenseitig überboten und die Tatsache, dass die gestellte Aufgabe auch mit der Normalspur geleistet werden konnte, mit einem Mal gar keine Rolle mehr spielte. Professor Neesen von der Danziger Technischen Hochschule schlug eine Spurweite von 3,70 Meter vor – mit dem Argument, die Zugkapazitäten ließen sich bei einer Waggonbreite von 5,20 Meter mit einem Schlag verdoppeln. Andere zeigten sich bescheidener und plädierten beispielsweise für 1,80 Meter. Auch Ministerialrat Wiens modifizierte seine mit einem Mal allzu bescheidene Vorkriegsplanung und referierte über die Vorteile der russischen und der iberischen Spurweite. »Macht man sich aber auch hiervon frei, so lohnt nur ein besonders großer Sprung auf eine Spur von etwa 4.000 mm.« Wer seinen Vorschlag verwirklicht sehen wollte, musste die Dimensionen eben den Vorstellungen des »Führers« anpassen. Nach dem Krieg bezeichnete Wiens die Breitspurdimension als von vornherein abwegig.
1942 wurde es schließlich konkret. Der zurückliegende, sehr strenge Winter war für die Reichsbahn überaus schwierig gewesen und hatte die schon zuvor konstatierte Überforderung durch militärischen Dienst und die immer größeren Distanzen verstärkt. Zwei Drittel der Lokomotiven kapitulierten vor Schnee und Eis und versagten den Dienst. Weil der Russlandzug vor Wintereinbruch hatte beendet sein sollen, hatten für die winterlichen Bedingungen auch keinerlei Vorkehrungen getroffen werden dürfen. Für den Fall, der nicht eintreten durfte, musste auch nicht geplant werden. Nun aber war Hitler über die Maßen erbost wegen der
Weitere Kostenlose Bücher