Grandios gescheitert
Schwierigkeiten, drohte der Eisenbahn im Allgemeinen und verfrachtete im Besonderen einige Bahnchefs in Weißrussland und der Ukraine vorübergehend ins KZ. Aber sobald im Frühjahr 1942 die Lage sich besserte, erging der Befehl an die Reichsbahn, die Planung der Breitspurbahn in Angriff zu nehmen.
Zu diesem Zeitpunkt war ein Sieg Deutschlands im Zweiten Weltkrieg jedoch bereits höchst unwahrscheinlich. Der Vormarsch der deutschen Wehrmacht war vor Moskau zum Erliegen gekommen und der Kriegseintritt der USA erschwerte die Lage für das Deutsche Reich zusätzlich. Hitler aber plauderte in seinem Lieblingslokal »Osteria« im Münchner Künstlerviertel Schwabing im Frühling 1942 unverdrossen von der Zeit danach. Er plädierte für zweistöckige Waggons, die im oberen Stockwerk beste Aussicht bieten müssten. Vor allem sah er die Notwendigkeit, zwischen dem Donezbecken, dem Kohlerevier der Ukraine, und den schlesischen Industriegebieten einen leistungsfähigen, vierspurigen Güterverkehr herzustellen, um die eroberten Gebiete effektiv ausbeuten zu können. Gleiches galt angesichts der geplanten Rolle der Ukraine und des Wolgabeckens als »Kornkammern Europas«. Ein Protokollant notierte: »Nur so sei es möglich, den Ostraum – insbesondere wirtschaftlich – so zu erschließen, wie es unseren Plänen entspreche. Wenn die Durchführung dieses Eisenbahnprogrammes auch selbstverständlich eine Fülle von Schwierigkeiten enthalte, so dürfte man sich dadurch doch nicht abschrecken lassen.« Auch in seinem ostpreußischen Hauptquartier Wolfsschanze kam Hitler gern auf das Eisenbahnprojekt zu sprechen.
Für die Beteiligten brachte die Arbeit an der Breitspurbahn den Vorteil, unabkömmlich gestellt zu werden und damit einem Fronteinsatz entgehen zu können. Das galt nicht nur für die betreffenden Reichsbahnmitarbeiter, sondern auch die Vertreter der Fremdfirmen, die an der Entwicklung beteiligt waren. Im Laufe des Jahres 1942, als die zuständigen Reichsbahndirektoren, Ingenieure und Architekten sich noch weitgehend im Unklaren darüber befanden, wie genau das Breitspurbahnprojekt aussehen sollte (nicht einmal die Spurweite war festgelegt, die Angaben schwankten zwischen 2,50 und 4 Meter), wurde im Reichsverkehrsministerium eine eigene Abteilung eingerichtet, die das gesamte Projekt planen und koordinieren sollte. Allmählich bekam man das Planungschaos einigermaßen in den Griff und wurden die wichtigsten Koordinaten festgelegt: Spurweite 3 Meter, Achsdruck 35 Tonnen, Metergewicht 19 Tonnen / Meter. Ende des Jahres lag eine »Denkschrift« vor, die endlich die nötigen Details enthielt. Folgende Linien wurden dabei erarbeitet: Paris – Ruhrgebiet – Berlin – Breslau – Kiew-Rostow / Don; Hamburg – Berlin – München – Wien – Budapest – Belgrad-Bukarest – Istanbul; Berlin – Dresden – Prag – Wien; München – Stuttgart – Paris.
Am 18. Juni unterrichtete Hermann Giesler, Generalbaurat für die »Hauptstadt der Bewegung« München, den Hitler auch zum Architekten seines Grabmals bestimmt hatte, das Verkehrsministerium von den Plänen des »Führers«. Darunter war der Befehl, die neue Bahnlinie durch den geplanten neuen Münchner Hauptbahnhof zu führen – vor allem für Berlin und München bedeuteten das neue Projekt und seine erzwungene Integrierung in die bereits fortgeschrittenen Planungen einen herben Rückschlag. Staatssekretär Ganzenmüller erklärte, nach dem siegreichen Ende des Krieges werde das bestehende Bahnnetz an seine Grenzen stoßen, weshalb ein Großraumnetz zu bauen sei, das den beträchtlich erweiterten Größenverhältnissen des Reiches Rechnung trage. Inzwischen war die Breitspurbahn sowohl für die Personen- als auch für die Güterbeförderung vorgesehen; bis zu 250 Stundenkilometer schnelle Züge sollten zwischen Berlin und Wladiwostok, zwischen Rotterdam und Kiew, zwischen Hamburg und Istanbul verkehren.
Geringe Euphorie der Eisenbahner
Die Mehrheit der Eisenbahner war aber alles andere als begeistert von dem neuen Lieblingsprojekt Hitlers, nicht jeder gab vorauseilend sein vernünftiges Augenmaß auf. Allzu großer Widerspruch verbot sich jedoch. Immerhin gaben Fachleute zu bedenken, dass zwei unterschiedliche Bahnsysteme zu Problemen führen mussten, ganz abgesehen vom unnötig großen Maßstab. Selbst die Militärs winkten ab: Sie befanden die Breitspurbahn nur begrenzt nutzbar für die Bedürfnisse der Wehrmacht, außerdem stelle sie ein hervorragendes Ziel für
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