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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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feindliche Angriffe dar. Ein eng geknüpftes Normalspurnetz könnte auf Feindeingriffe außerdem schneller und flexibler reagieren als ein weitmaschiges Breitspurnetz.
    Vor allem aber hatte die Deutsche Reichsbahn ganz andere Sorgen. Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte sie eine enorme Reparationslast tragen müssen, sodass für Ausbau und Modernisierung wenige Kapazitäten übrig blieben. Die wirtschaftlich günstigeren Zeiten vor Beginn des Zweiten Weltkriegs waren zu kurz gewesen, um Schienennetz, rollendes Material und Personalstand so auszubauen und vorzubereiten, dass die enormen Anforderungen des Militärs an die Eisenbahn hätten erfüllt werden können. Zudem hatten die Nazis den Schienenverkehr nach ihrer Machtübernahme lange als nicht wichtig genug erachtet – beispielsweise gegenüber dem Autobahnbau. Jahrelang war die Eisenbahn von der Reichsregierung links liegen gelassen worden, nun sah sie sich von der plötzlichen Zuneigung förmlich erdrückt.
    Trotz wachsender Aufgaben, größerer Entfernungen und steigender Ansprüche an die Kapazitäten: Prinzipiell bestand gar keine Notwendigkeit, von der gängigen Spurweite abzuweichen. Nichts sprach dagegen, die gesetzten Ziele mit einem effektiven und hochtaktigen Bahnnetz der Normalspur zu erreichen. Mühelos würde die bisherige Spurweite von 1.435 Millimetern eine Steigerung auf das Zehnfache ermöglichen, wie Bahnexperten in Gutachten ausführten. Weder für größere Lasten noch für höhere Geschwindigkeiten oder eine kürzere Zugfolge war eine breitere Spur nötig – allein das Fassungsvermögen der Waggons und damit vor allem die Höhe des rollenden Materials konnten auf diese Weise enorm vergrößert werden – die Dreimeterspur ermöglichte eine Steigerung um das 30- bis 50-Fache! Allerdings wäre auch das Gewicht der Waggons angewachsen und somit das Verhältnis von Eigenlast und Ladelast mehr oder weniger gleich geblieben. Die Größenordnung der Breitspurbahn, ob Last- oder Personenbeförderungskapazitäten, überstieg auch die kühnsten Kalkulationen für künftige Erfordernisse. Weder aus verkehrswirtschaftlichen noch aus wirtschaftspolitischen Gründen war eine Breitspurbahn also überhaupt notwendig. Das wussten alle Beteiligten, auch die Bahningenieure, die mit der Konstruktion beauftragt wurden.
    Wenige Wochen nach dem Debakel der Wehrmacht vor Stalingrad Anfang 1943 trugen Bahn-Staatssekretär Ganzenmüller und Ministerialrat Wiens, der nunmehrige Projektleiter, Hitler den Stand der Planungen vor. Der billigte die meisten Details und erklärte die Arbeit an dem Projekt, das nach dem Krieg umgehend umgesetzt werden müsse, für kriegswichtig. Immer öfter hatte er nun Anlass, sich mit Träumereien vor den Modellen der Planungen für Berlin, Linz oder München zu zerstreuen, während in der Realität die Wehrmachtsverbände vor dem Feind zurückwichen und alliierte Geschwader mit dem Bombenhagel des Luftkrieges die deutschen Städte in Schutt und Asche legten. Noch 1945 im Führerbunker, als sein Herrschaftsgebiet angesichts des alliierten Vormarschs aus Ost und West in Windeseile zusammenschnurrte, bis es nur noch aus ein paar Kilometern rund um die Berliner Wilhelmstraße bestand, äußerte Hitler seine Dankbarkeit für die Zerstörungen der Alliierten. Denn dadurch sei es ihm möglich, Berlin und andere Städte nach dem Krieg umso prachtvoller wiederaufzubauen.

Kriegswichtige Arbeiten für die Zeit nach dem »Endsieg«
    Weil es der »Führer« so wollte, wurden die Planungen für die Breitspurbahn mit Hochdruck weitergeführt, während anderswo wegen des Krieges die Belegschaften ausdünnten. Ende 1943 schließlich sah die Planung des Breitspur-Streckennetzes folgende Hauptlinien und Ergänzungsstrecken vor: von Berlin über das Ruhrgebiet nach Paris, Ergänzungsstrecke nach Brest in Nordwestfrankreich; Berlin – Hamburg; Berlin – Breslau – Kiew – Rostow, mit Ergänzungen von Breslau über Minsk nach Leningrad (Sankt Petersburg) bzw. nach Moskau und Kasan, sowie von Kiew über Charkow nach Stalingrad (Wolgograd) bzw. nach Odessa und von Rostow nach Baku; von Berlin über Prag, Wien, Belgrad und Bukarest nach Varna bzw. Istanbul, mit Ergänzung Wien – Triest – Rom; von Berlin über Leipzig und Nürnberg nach München; von München aus sollte es nach Paris gehen sowie in östlicher Richtung über Linz nach Wien und mit einer Ergänzungsstrecke gen Westen über Marseille bis an die spanische Grenze.
    Für

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