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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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»Verstehst du, die Sache ist die – der Junge braucht ein Modell. Er hatte eins, aber sie hat ihn sitzen lassen. Sie hat sich
das Bein gebrochen, die Ärmste, und liegt jetzt in einem Bett
im Krankenhaus mit einem Nagel im Schienbein. Er hat einen Ausstellungstermin und ist echt im Stress.«
Ich verstand schon, was er meinte; ich war jedoch immer
noch misstrauisch und wies darauf hin, dass es reichlich
professionelle Künstlermodelle gab. Jimmie entgegnete, dass
mehr dahinter steckte, als es den Anschein hätte. Es wäre
nicht damit getan, herumzusitzen und sich malen zu lassen.
Ob ich keine Lust hätte, morgens mal in seinen Laden zu
kommen, so gegen zehn? Angus wäre da und könnte mir alles selbst erklären, sobald er mit dem Putzen durch wäre.
Jimmie selbst könnte mir versprechen – Hand aufs Herz! –,
dass alles vollkommen einwandfrei wäre und sich finanziell
rentieren würde.
Ich brauchte einen Job und Geld, und so erklärte ich
mich einverstanden, am nächsten Morgen gegen zehn vorbeizukommen um den talentierten Künstler kennen zu lernen. Ich betonte noch einmal, dass ich nichts versprechen
könne. Es war nicht das erste Mal, dass man mir ein lohnendes Geschäft angeboten hatte. Außerdem, wenn Angus
so weit abgebrannt war, dass er bei Jimmie putzen musste,
hatte er bestimmt nicht viel Kohle übrig und, wie daraus
folgte, nicht viel, um ein Modell zu bezahlen.
»Mach es nicht!«, empfahl Ganesh, sobald Jimmie wieder
zu seinem Tresen gegangen war.
Es war ein guter Rat, doch wie üblich, wenn Ganesh sagte tu es nicht , machte ich es erst recht.
    Wir wanderten langsam nach Hause – das heißt, zu meiner
Wohnung. Es war halb elf, und die Pubs waren immer noch
gut besucht von Leuten, die ein letztes Pint in sich hineinschütteten, bevor um elf Uhr die Sperrstunde begann. Das Rose am Ende der Straße hatte sämtliche Fenster weit geöffnet, trotz der kühlen Nacht, um den Mief und die Hitze der
Leiber nach draußen zu lassen, die in dem engen Pub aneinander gedrängt standen.
Das Rose ist ein echtes, erhaltenes Stück Old London
    Town. Sowohl die Außenwände als auch das Innere sind
mit glasierten braunen Kacheln verkleidet, und wenn auch
die Sägespäne und Spucknäpfe der frühen Tage verschwunden sind, so hat es die gleiche Atmosphäre bewahrt, entschieden anspruchslos. Und genau das ist es, was die Gäste
daran mögen. Alles andere ringsum wurde nobler durchgestylt, yuppifiziert oder sonst wie verbonzt – jedenfalls, wenn
man es aus der Sicht eines Stammgasts des Rose und nicht
aus der eines Immobilienmaklers sieht.
    In dem alten Pub jedenfalls ist immer viel los. An jenem
Abend hatte es Livemusik gegeben, aber entweder stimmte
irgendetwas nicht mit dem Sound-Equipment, oder die
Band war schlechter als gewöhnlich. Misstönende Heuler
und amateurhaftes Gitarrenspiel versuchten sich gegen laute
Lachsalven, missbilligendes Gebrüll und das gelegentliche
Klirren von Glas, das zu Bruch geht, durchzusetzen. Eben
gegen all das, was als Geräuschkulisse für das Rose üblich ist.
Trotz allem, was man an Vorurteilen so haben mag – ernste
Scherereien gibt es dort nur selten. Der Wirt bezahlt ein
paar Schläger, die als Thekenpersonal getarnt hinter dem
Tresen stehen und dafür Sorge tragen, dass es so bleibt.
Frauen arbeiten im Rose nicht hinter dem Tresen.
    Außerdem serviert man im Rose kein Essen – es sei denn,
man gibt sich mit Erdnüssen oder Kartoffelchips zufrieden.
»Wir sind ’ne Kneipe, Herrgott, und kein verdammter Fresstempel«, erklärt der Wirt dann auch jedem Fremden, der
nach der Karte fragt. In Erwartung des nächtlichen Auszugs
gut mit Getränken versorgter, aber eben hungrig gebliebener
Kundschaft hatte deshalb ein mobiler Hot-Dog-Stand in der
Nähe Position bezogen. Wolken von säuerlichem, beißendem
Dampf wehten in unsere Richtung. Der Besitzer stellte eben
ein Plakat neben seinem Wagen auf. Darauf stand: »Drei Hot
Dogs zum Preis von zwei. Unschlagbare Leistung.«
    Ich dachte bei mir, dass die mentale Gymnastik, die erforderlich war, um den Preis, der dann dieser Behauptung
entsprechend für ein Hot Dog gelten müsste, auszurechnen,
über die Möglichkeiten der Gäste des Rose hinausging, wenn
sie dann endlich herausgeströmt kamen in das, was hier als
frische Luft durchging.
    »Hi, Dilip«, begrüßte Ganesh den Koch. »Wie läuft’s
denn so?«
Dilip richtete sich auf. Er war bemerkenswert, so breit wie
hoch, massiv wie eine Ziegelmauer und mit

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