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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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Abriss vorgesehenen Gebäuden. Die Fenster waren zerbrochen und die Dielen verrottet, doch es war trocken und sicher.
Niemand, der nicht selbst einmal draußen auf der Straße gewesen ist, weiß diese beiden einfachen Worte »trocken« und
»sicher« so zu schätzen wie jemand, der schon einmal obdachlos gewesen ist, glauben Sie mir.
Das war das erste von zahlreichen besetzten Häusern, in
denen ich seither gewohnt habe. Im Freien zu übernachten
war jedenfalls eine Erfahrung, die ich niemals zu wiederholen entschlossen bin. Ich betrachte sie als den Tiefpunkt in
meinem bisherigen Leben, und vom Tiefpunkt aus, ganz
gleich, wie schlimm die Dinge standen, konnte es schließlich
nur noch bergauf gehen, und das bedeutete, dass ich auf
dem richtigen Weg war.
Ganesh und ich stritten noch eine Weile, und am Ende
sagte er: »Hör mal, der alte Bursche hat dir doch selbst gesagt, dass er den größten Teil des Tages unten im U-BahnSchacht verbringt, wenn es kalt ist, und es war kalt. Du wirst
ihn nicht finden, es sei denn, du fährst den ganzen Tag in
der Londoner Underground herum.«
»Vielleicht ist er wieder im Bahnhof. Und wenn nicht in
diesem Bahnhof, dann in einem anderen! Vielleicht drüben
in Paddington? Das ist die Linie nach Bakerloo. Wenn sie
ihn in Marylebone rausgeworfen haben, dann wandert er
vielleicht durch die Röhre zwei Stationen nach Norden und
versucht es dort erneut.«
»Such die Bahnhöfe ab, meinetwegen, so viele du willst,
aber wenn er nicht da ist, dann warte ab, bis ich nach der
Arbeit zu dir komme. Ich gehe mit dir mit, wenn du ihn in
den Hauseingängen suchst. Das ist sowieso die beste Zeit,
um nach ihm Ausschau zu halten. Einverstanden?«
Ich war einverstanden. Ganesh hatte inzwischen wieder
bessere Laune und schlug vor, dass wir zum Kartoffelimbiss
gehen und etwas fürs Abendessen holen sollten.
    Der Imbiss wurde von einem Exilschotten namens Reekie
Jimmie geführt. (Die Kartoffeln kamen aus Zypern.) Wenn
Sie wissen wollen, wie Jimmie an seinen Spitznamen ›der
Qualmende‹ gekommen ist, müssen Sie nur auf seine Hände
achten, auf die gelb verfärbten Finger und die nikotinbraunen Nägel. Doch zu seinen Gunsten muss gesagt werden,
dass Jimmie nie im Lokal rauchte. Er ging dazu in den Korridor, der hinter der Theke, von der aus er bediente, durch
eine schmale Tür zu erreichen war.
    Die Folienkartoffeln gab es mit einer Füllung nach Wahl;
viel zu wählen gab es allerdings nicht: Normalerweise gab es
Käse, Chili oder gebackene Bohnen, und zwischen den beiden Letzteren gab es eine verdächtige Ähnlichkeit. Trotz des
vielen Geredes von erstklassigem schottischen Rindfleisch
vermutete ich, dass Jimmie sein Chili mit Hilfe eines Würfels Oxo und einer Prise Currypulver aus den gebackenen
Bohnen herstellte.
    An diesem Abend stand nur ein einziger ratloser Kunde
im Imbiss, der niedergeschlagen an einem Ecktisch über
seinem Teller kauerte und die Bestandteile seiner Mahlzeit
mit quälender Pedanterie auseinander klamüserte und alles
zu kleinen Häufchen aus farblosen Klumpen Brei und gebackenen Bohnen aufschichtete. Es war, als würde man einem
Mann zusehen, der Angst hat, die in seinem Pudding versteckte silberne Glücksmünze zu verschlucken. Er hatte
wahrscheinlich das Chili bestellt und war nun auf der Suche
nach dem Fleisch. Ich wünschte ihm viel Glück.
    Jimmie nahm unsere Bestellung auf und auch gleich unser Geld. Jimmie nahm klugerweise immer gleich das Geld,
bevor er eine seiner Folienkartoffeln über die Theke reichte.
Er gab uns einen nummerierten Zettel, obwohl außer uns
niemand an der Theke anstand, und beschied uns, Platz zu
nehmen, wo wir wollten.
    Wir suchten uns einen der schmierigen Tische aus. Ich
legte meinen nummerierten Zettel auf den Tisch, wischte
die Sitzfläche meines Stuhls ab und setzte mich. Gan stützte
die Arme auf den Tisch, legte die Nummer vor sich und sagte: »Ich habe nachgedacht.«
    »Aha?«, meinte ich und sah ihn fragend an.
»Angenommen, der alte Mann hat tatsächlich eine Entführung beobachtet. Dann wird jemand vermisst, stimmt’s?
Das Entführungsopfer? Es wäre durchaus möglich, dass die
Polizei nichts darüber weiß, aber irgendjemand muss es wissen. Irgendjemand muss sie vermissen.«
»Red weiter!«, ermutigte ich ihn.
Wir hatten jetzt Zeit, über die Sache zu reden. Jimmie
war in den Korridor verschwunden, und durch die offene
Tür hinter dem Tresen kräuselte sich blauer Qualm. Ich war
erfreut, dass Ganesh

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