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Granger Ann - Varady - 03

Titel: Granger Ann - Varady - 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die wahren Bilder seiner Furcht
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davonkommen lassen. »Ja, wen haben wir denn da? Sie sind bestimmt die junge Frau, die in Tante Daphnes Souterrain wohnt, eh?«, gab
der mit der braunen Tweedjacke seinen Senf dazu. Er schüttelte einen Wurstfinger in meine Richtung und sah mich
selbstzufrieden an.
Tante Daphne? Gehörten diese beiden fetten Widerlinge
etwa zu Daphnes Familie? Ich empfand Mitleid mit ihr und
war nicht zum ersten Mal erleichtert, dass ich niemanden
hatte. Meine Mutter lebte vermutlich noch irgendwo, doch
da sie Dad und mich im Stich gelassen hatte, als ich sieben
gewesen war, hatte ich sie seit langem aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ich wuchs bei meinem Vater und meiner ungarischen Großmutter Varady auf, doch sie waren inzwischen beide tot. Niemand konnte sie ersetzen.
»Ja«, sagte ich und musterte die beiden düster. Ich hatte
sie noch nie bei Daphne zu Besuch gesehen, doch das bedeutete nicht, dass sie noch nie im Haus gewesen waren. Die
Souterrainwohnung besaß einen eigenen Eingang. Daphne
wusste nicht, wer mich besuchte, und ich wusste nicht, wen
sie zum Besuch empfing – es sei denn, man begegnete sich
auf dem Bürgersteig, so wie jetzt.
»Unsere junge Freundin ist ein wenig farouche, Bertie«,
sagte der mit der braunen Jacke. »Ein Produkt unserer unruhigen Gesellschaft.«
Damit bettelte er geradezu um einen Schlag auf die Nase,
und vielleicht hätte ich ihm den Gefallen getan, wären wir
nicht unterbrochen worden.
Daphne schien hinter einem Fenster auf die Ankunft ihres Besuchs gewartet zu haben, denn nun öffnete sich die
Haustür, und sie stand im Eingang und sah auf die kleine
Gruppe hinunter. Sie trug wie üblich eine Jogginghose und
handgestrickte Färöer-Socken mit Ledersohlen. Doch ihr
Pullover war neu, und sie war offensichtlich beim Friseur
gewesen. Ihr graues Haar war zurechtgemacht und lag in
neuen Wellen, und hinter zwei Locken an den Koteletten
baumelten Ohrringe. Daphne hatte sich herausgeputzt.
Meine Vermieterin war in den Siebzigern, doch sie ist
noch immer wacher als viele jüngere Leute. Ich hatte sie im
Lauf der Zeit recht gut kennen gelernt und hatte fürsorgliche Gefühle für sie entwickelt. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätte. Daphne konnte gut auf sich selbst aufpassen.
Doch im Augenblick wirkte sie alles andere als selbstsicher,
eher elend und verwirrt, als wüsste sie nicht so recht, was sie
in dieser Situation tun sollte.
»Oh, Bertie – Charlie …«, sagte sie ohne wirkliche Begeisterung. »Welch eine Überraschung … Hallo Fran, meine
Liebe.« Ihre Miene hellte sich auf, als sie mich begrüßte.
Bertie und Charlie stiegen die Stufen hinauf, als wären sie
an der Hüfte zusammengewachsen, und streckten die freien
(äußeren) Arme zu einer gemeinsamen Umarmung ihrer
Tante aus, Bertie (mit der grünen Jacke) den linken, Charlie
(mit der braunen) den rechten. Zur gleichen Zeit drückten
sie ihre Geschenke mit der jeweils anderen Hand an die jeweilige Brust. »Tante Daphne!«, kreischten sie. Bertie schob
ihr die Blumen hin, und Charlie in genau dem gleichen Augenblick die Flasche Wein. Man hätte glauben können, dass
sie es vorher einstudiert hatten.
»Wie nett von euch«, sagte Daphne gequält. »Kommt doch
rein, Jungs.«
Jungs? Aber vielleicht war der Ausdruck gar nicht so unpassend. An den beiden war etwas, das einen akuten Fall
von verzögerter Entwicklung nahe legte. Vermutlich ist es
ganz nett, Zwillingsbabys in die gleichen Sachen zu stecken.
Bei Kleinkindern geht es gerade noch. Doch Männer in
mittlerem Alter sollten eigentlich aus dem Bedürfnis herausgewachsen sein, sich genauso wie jemand anderes anzuziehen. Wenn man sein Aussehen schon nicht verändern
konnte, beispielsweise, weil man ein eineiiger Zwilling war,
dann konnte man doch wenigstens einen individuellen
Kleidungsstil entwickeln. Doch über Geschmack lässt sich
bekanntlich trefflich streiten. Ich zuckte die Schultern und
ging nach unten in meine Kellerwohnung.
Ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, nach
Hause zu kommen und mich in meiner eigenen, ganz privaten Wohnung wiederzufinden, die ich mit niemandem teilen und die ich nicht gegen Eindringlinge verteidigen musste, die sie mir streitig machten, oder gegen die Stadtverwaltung, die sämtliche Bewohner auf die Straße setzen wollte.
Es war früher Nachmittag, und ich hatte noch nichts zu
Mittag gegessen. Ich stellte einen Topf mit Wasser für die
Nudeln auf, und als es kochte, bevor ich das Salz hineingab,
schüttete ich

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