Granger Ann - Varady - 03
genug davon ab, um mir einen Kaffee zu machen.
Mit meinem Kaffee ging ich ins Wohnzimmer und setzte
mich auf mein altes blaues Ripssofa. Meine Gedanken kehrten zu dem Mann zurück, der am frühen Morgen in Onkel
Haris Laden gekommen war. Ich hasse Rätsel, die ich nicht
lösen kann, und diesmal hatte ich das merkwürdige Gefühl,
dass wir den Fremden nicht zum letzten Mal gesehen hatten.
Die Nudeln waren fertig. Ich schüttete das Wasser ab,
rührte das Glas Pesto hinein und setzte mich mit meiner
Mahlzeit vor meinen alten, flackernden Fernseher. Das geisterhafte Bild vermittelte dem Betrachter ein Gefühl von
doppeltem Blick, und ich fühlte mich unwillkürlich an
Daphnes »Jungs« erinnert.
Es kam nichts Vernünftiges, keiner der alten Filme, die
ich so gerne sah, und irgendwann musste ich eingedöst sein.
Ich erwachte plötzlich vom Lärm von Stimmen und dem
Trappeln von Füßen auf der Vordertreppe über meinem
Kopf. Draußen war es bereits dunkel, und das bläuliche
Flimmern der Mattscheibe war die einzige Beleuchtung im
Zimmer.
Ich rannte zum Fenster und spähte nach oben. Gerade
rechtzeitig. Draußen hatte ein Taxi gehalten, und die Schritte, die mich aus dem Schlaf gerissen hatten, waren von dem
Fahrer gewesen, der zur Vordertür von Daphne hinaufgestiegen war. Nun kehrte er zurück, mit zwei Paar hellbraunen Hosenbeinen im Schlepptau sowie einem Paar sehr
dünner weiblicher Beine unter einem langen, schlaff herabhängenden Rock, alles erhellt von gelblichem Laternenlicht.
Ich hatte Daphne noch nie in etwas anderem als Jogginghosen gesehen, doch offensichtlich ging sie nun mit den beiden »Jungs« aus, und zwar an einen Ort, für den man sich
schick machte. Ich wünschte, ich hätte mich für Daphne
freuen können, weil sie endlich einmal aus dem Haus kam,
doch es gelang mir nicht. Wohin auch immer sie ging, ich
war sicher, dass sie eigentlich gar nicht wollte – zumindest
nicht in dieser Gesellschaft.
Ich kehrte zu meinem Sofa zurück und wünschte, ich
wüsste, wohin die beiden Daphne ausgeführt hatten. Ich erinnerte mich lebhaft an den unglücklichen Gesichtsausdruck beim Eintreffen des Besuchs. Es beunruhigte mich
und steigerte meine Vorbehalte gegen das braun-grüne
Paar. Kein anständiges Restaurant hätte mich eingelassen,
noch hätte ich mir das Essen dort leisten können, doch ich
hätte draußen herumlungern und ein Auge auf die Dinge
halten können. Erneut ging ich zum Fenster und sah nach
draußen. Der Regen hatte wieder eingesetzt und trommelte
auf das Pflaster. Ich hatte für den heutigen Tag genug von
schlechtem Wetter. Daphne war mit ihrer Verwandtschaft
zusammen, und wenn man der eigenen Familie nicht vertrauen konnte … Seien wir doch ehrlich, unterbrach ich
meinen Gedankengang. Man kann einfach niemandem trauen, das ist eine Tatsache.
Das Taxi kehrte gegen halb zehn abends zurück. Die
Scheinwerfer streiften über die Front des Hauses, und ich
hörte, wie eine Wagentür zugeschlagen wurde. Ich saß noch
immer in der Dunkelheit vor dem Fernseher und sah »Tod
auf dem Nil« mit Peter Ustinov. Ich mochte die Szenen mit
heißem Sand und sonnenverbrannten Tempeln, die in starkem Kontrast zu dem kalten, unfreundlichen Wetter draußen standen. Hoffentlich hatte Daphne einen Mantel dabeigehabt. Stimmen riefen: »Gute Nacht!«, und ich hörte, wie
leichte Schritte die Treppe hinauf trappelten, zögerten und
schließlich wieder umkehrten, um nervös meine Kellertreppe hinunterzusteigen. Ich sprang auf, schaltete das Licht ein
und öffnete meine Wohnungstür, sodass die Treppe erhellt
wurde. Ich wollte nicht, dass Daphne kopfüber die regennasse Treppe hinunterfiel.
Doch sie war bereits wohlbehalten unten im Souterrain
angekommen und stand nun mit hochgeschlagenem Kragen
gegen die kühle Luft vor der Tür und sah mich an.
»Oh, Fran«, sagte sie. »Es tut mir Leid, wenn ich Sie belästige, aber ich dachte, vielleicht sind Sie zu Hause und
noch wach. Ich habe das Flimmern des Fernsehers gesehen
und mich gefragt, ob Sie nicht Lust hätten, falls Sie nichts
anderes vorhaben, mit nach oben zu kommen und mir bei
einem Glas Wein Gesellschaft zu leisten?«
»Den haben meine Neffen mitgebracht«, sagte sie kurze Zeit
darauf in ihrer Küche. Sie hantierte mit dem Korkenzieher
und gab Flasche und Öffner schließlich resignierend an
mich weiter. Der Korken löste sich mit einem befriedigenden Plopp.
»Das Gute an Charlie ist, dass er immer eine anständige
Flasche
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