Granger Ann - Varady - 03
Wein mitbringt, wenn er zu Besuch kommt«, sagte
sie. »Er hält sich für einen ausgemachten Weinkenner, müssen Sie wissen.«
Weintrinker wohl eher, dachte ich. »Ich habe die beiden
noch nie vorher gesehen«, sagte ich, während ich unsere
Gläser voll schenkte.
Daphne kramte in einer Schublade und brachte ein paar
appetitliche Biskuits zum Vorschein, die sie auf einen Teller
schüttete und auf den Tisch stellte. »Bedienen Sie sich«, sagte sie und hob ihr Glas. »Cheers!« Allmählich wirkte sie
wieder ausgeglichen und entschieden fröhlicher als zum
Zeitpunkt des Eintreffens ihres Besuchs. In ihrer neuen Frisur hatten sich ein paar Locken gelöst, und ihr Lippenstift
war verschmiert. Sie hatte ihre Ausgehschuhe ausgezogen
und die selbst gestrickten Socken angezogen und sah nun
wieder viel mehr wie die gute alte Daphne aus.
»Es ist nicht so, als würde ich sie einladen«, berichtete sie
in einem Tonfall, als würde sie von streunenden Katzen erzählen. »Sie meinen es gut, wissen Sie? Ich möchte nicht
unhöflich sein. Aber ich mag es nicht, wenn ich von Leuten
belästigt werde, die sich einbilden, besser als ich selbst zu
wissen, was ich will. Sie glauben, jemand müsste sich um
mich kümmern.« Ein indignierter Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen, und ihre langen roten Glasohrringe
tanzten zur Bekräftigung. »Ausgerechnet um mich! Sehe ich
vielleicht aus, als müsste man sich um mich kümmern?«
»Sie sehen prächtig aus«, entgegnete ich fest. »Und falls
Sie etwas brauchen, bin ich auch noch da.«
»Genau, meine Liebe, das weiß ich. Aber Bertie und
Charlie sehen das anders. Sie sind die Söhne meines Bruders
Arnold. Arnold war älter als ich, und er ist seit zwanzig Jahren tot. Er war Anwalt. Die Jungen sind seiner Kanzlei beigetreten, sobald sie dazu in der Lage waren, und haben die
Firma übernommen, als Arnold sich zur Ruhe gesetzt hat.
Keiner von beiden ist verheiratet.«
Das überraschte mich nicht. »Sind sie inzwischen ebenfalls im Ruhestand?«, fragte ich.
»O nein, meine Liebe. Sie sind erst einundfünfzig. Ich
schätze, sie sehen älter aus, und sie waren schon immer ein
wenig wunderlich. Ich habe keinen Grund, schlecht über sie
zu reden. Sie haben mich todschick zum Essen ausgeführt.«
Sie seufzte. »Natürlich hatten sie einen Hintergedanken dabei. Sie wollten über das Geschäft reden. Das wollen sie jedes Mal.«
Sie nahm ihre roten Ohrringe ab und legte sie ordentlich
nebeneinander auf den Tisch neben ihrem Weinglas. »Sie
sind von meiner Mutter«, sagte sie. »Amethyst.«
Ich hätte wissen müssen, dass es kein rotes Glas war.
Daphne war gut situiert, und das brachte mich auf einen
alarmierenden Gedanken.
Besorgt fragte ich sie, ob Bertie und Charlie ihre finanziellen Angelegenheiten regelten, eine Vorstellung, die mir
überhaupt nicht behagt hätte. Doch glücklicherweise verneinte Daphne.
»O nein, gewiss nicht! Die beiden sind meine Haupterben, verstehen Sie? Es wäre nicht korrekt. Natürlich haben
sie ein Interesse an meinen Geschäften. Sie machen sich
Sorgen wegen der Erbschaftssteuer.«
Es war unwahrscheinlich, dass ich jemals etwas anderes
als die Kleider vererben würde, die ich am Leib trug, und
wer wollte die schon? Doch der Gedanke, dass dieses Duo
von Daphnes Tod profitieren sollte, beunruhigte mich,
wenn das überhaupt möglich war, noch mehr als die Vorstellung, dass die beiden Daphnes Geschäfte zu Lebzeiten
führten. Ich wusste, dass meine Fantasie nicht allzu weit
hergeholt war, weil mein alter Feind vom CID, Sergeant
Parry, mir einmal erzählt hatte, dass die meisten Menschen
von einem Verwandten oder einem guten Bekannten ermordet wurden. »Und dabei geht es fast immer um Sex oder
Geld«, hatte er hinzugefügt. Ich wollte mich nicht in Daphnes Angelegenheiten einmischen, doch vielleicht war es klü
ger, wenn irgendein Außenstehender, der keinen heimlichen Groll hegte, mehr über das erfuhr, was da vorging.
Außerdem schien Daphne mit jemandem darüber reden zu
wollen.
Sie beugte sich vor. »Es macht Sinn, verstehen Sie, wenn
ich jetzt schon Geld oder andere Dinge verschenke. Um die
Steuern zu vermeiden, wenn ich erst den Löffel abgegeben
habe. Ich meine, das Haus bekommen die Jungs, keine Frage,
aber wenn ich es jetzt schon auf sie überschreiben würde …«
»Was denn, sie wollen, dass Sie ihnen das Haus überschreiben?«, rief ich entrüstet.
»Ich könnte weiter hier leben«, versicherte sie mir. »Es
wäre weiter nichts als eine
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