Granger Ann - Varady - 04
tot?«
»Sie muss tot sein.«
»Nein, muss sie nicht. Sie wird vermisst. Mehr nicht.
Manchmal verschwinden die Menschen für Jahre und tauchen schließlich gesund und munter wieder aus der Versenkung auf.«
»Das müssen Sie mir nicht erzählen!«, fauchte ich. »Meine Mutter war vierzehn Jahre lang verschwunden! Aber ich
weiß …«
»Woher wissen Sie?«, unterbrach sie mich freundlich,
doch ihre leise, gelassene Stimme war stählern.
Ich versuchte mich zu zwingen, genauso ruhig zu bleiben
wie sie, doch es fiel mir nicht leicht. Was ich ihr als Nächstes
sagen würde, das würde ein Hornissennest aufschrecken.
Und doch musste ich es sagen, selbst wenn als Resultat das
Leben einer weiteren Person in Scherben fallen würde.
»Ich denke«, sagte ich, »dass ich weiß, wo ihre Leiche ist.«
Morgan stieß in einem lang gezogenen Seufzer den Atem
aus. »Wo? Und wie lange wissen Sie es schon?«
»Nicht lange. Nicht bewusst jedenfalls. Vielleicht habe ich
es unterbewusst schon eine Weile geahnt, aber ich habe erst
dann eins und eins zusammengezählt, als Ben Cornish im
Palmenhaus plötzlich das Messer zog und gegen mich richtete.« Ich begegnete ihrem Blick so fest, wie ich konnte.
»Wenn Sie nach Wimbledon fahren«, sagte ich, »dann finden Sie den Leichnam von LeeAnne Cooper in einem
Hochbeet. Es ist ein Blumenbeet, das Ben Cornish für seine
Großtante angelegt hat, Mrs Dorothy Mackenzie, als diese
auf Besuch bei ihrer Schwester war. Ich habe kein Geld, wie
Sie wissen, aber wenn ich welches hätte, würde ich meinen
letzten Penny darauf wetten.«
Janice Morgan war blass geworden. »Sie nehmen mich
nicht auf den Arm, Fran, nicht wahr? Sie wissen sehr genau,
was Sie da sagen?«
Ich nickte. »Keine Sorge. Ich weiß es ganz genau.«
Inspector Morgan erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich muss
einen Durchsuchungsbefehl beantragen. Fran, wenn Sie sich
irren, dann stecken Sie in den schlimmsten Schwierigkeiten,
die Sie in Ihrem Leben jemals hatten!«
KAPITEL 17 »Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, wie oft ich wegen Ihnen die Vorschriften
gebeugt habe, Fran?«, erkundigte sich Inspector Janice Morgan.
Unsere letzte Unterhaltung lag länger als eine Woche zurück. Ich hatte damit gerechnet, dass die Morgan zwischendurch mal im Laden vorbeikommen würde, weil sie vorher
auch immer so begierig darauf gewesen war, und mir erzählen würde, was in der Zwischenzeit passiert wäre, aber nichts.
Nicht ein Wort.
»Du kannst nicht erwarten«, hatte Ganesh gesagt, »dass
die Polizei dich ins Vertrauen zieht.«
»Warum denn nicht? Die Polizei erwartet doch auch immer, dass ich ihr alles erzähle! Sie müssen irgendwas in Mrs
Mackenzies Garten gefunden haben. Wenn nicht, wären sie
längst hier gewesen und hätten mich mitgenommen. Sie
hätten mich beschuldigt, sie absichtlich auf falsche Fährten
zu lenken und die Polizeiarbeit zu behindern!«
»Nur falls sie deinem Hinweis gefolgt sind und einen Blick
in dieses Blumenbeet geworfen haben.« Ganesh hatte schlechte Laune gehabt. Er und Hari hatten sich lange über die Installation eines Heißgetränkeautomaten gestritten. Er hatte Hari
fast überzeugt, doch es war eine langwierige Geschichte.
»Man sollte meinen«, fuhr Ganesh fort, in Gedanken so
sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass meine
überhaupt nicht bis zu ihm durchdrangen, »dass er Gewinn
mit diesem Laden erzielen will. Aber nein.«
»Was denn, wirft der Laden denn keinen Gewinn ab?«,
fragte ich, gezwungen, der Konversation auf dem Weg zu
folgen, den Ganesh eingeschlagen hatte.
»Schon, aber längst nicht so viel, wie er könnte. Und warum nicht? Weil er so verdammt ängstlich ist! Die Idee mit
den Heißgetränken ist verdammt gut! Er verkauft doch auch
gekühlte Getränke, also warum nicht im Winter etwas Heißes? Was ist der Unterschied, eh?«
Ich spielte den Anwalt des Teufels und wies darauf hin,
dass die Kunden vielleicht zwar erwarteten, in einem Zeitungsladen gekühlte Getränke vorzufinden, aber ein Heißgetränkeautomat wäre etwas Neues. Vielleicht würde er sich
nicht durchsetzen.
»Nur zu, schlag dich auf seine Seite!«, brummte Ganesh
missmutig.
»Ich schlage mich nicht auf seine Seite! Es ist nur, dass er
sich wahrscheinlich nach der Geschichte mit dem Badezimmer Sorgen wegen deiner Ideen macht.«
»Was stimmt denn nicht mit dem Badezimmer? Ist doch
alles in bester Ordnung!«, entgegnete Ganesh indigniert.
»Zugegeben, aber ohne Unfall ist die Geschichte nicht
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