Granger Ann - Varady - 04
von mir amputiert worden, der nun
wieder angenäht ist. Vielleicht hat sie es genauso empfunden.«
Ganesh beugte sich vor und ergriff meine Hand. »Sie hat
ihren Frieden gefunden, Fran. Sie hat ihre Kinder wieder.
Was immer diese Morgan auch sagen mag, du hast alles
richtig gemacht.«
Ich schnitt eine Grimasse. »Morgan ist alles andere als erfreut über mein Verhalten.«
»Soll sie sich mit ihren Mördern und Halunken rumschlagen«, sagte Ganesh. »Es gibt Dinge, die gehen sie einfach nichts an.«
Letztendlich wurden die Bewohner des Souterrains gefunden. Beide waren zum Zeitpunkt des Brandes außer Haus
gewesen. Zog war spurlos verschwunden. Die Feuerwehr
fand zwei verkohlte Leichen in den Trümmern; eine davon
wurde als Sid identifiziert, der Bewohner des Dachgeschosses. Die Identität der anderen wurde niemals aufgeklärt.
Ganesh kam mit mir zur Beerdigung meiner Mutter. Nicola war nicht da, um Lebwohl zu sagen, was mir Leid tat.
Vielleicht hatte der Sozialarbeiter sich geweigert, mit ihr
hinzugehen, oder es hatte Ärger gegeben, weil Nicola im
Hospiz gewesen war. Die Morgan war jedenfalls da. Sie war
freundlich mir gegenüber, doch Ganesh funkelte sie trotzdem düster an.
Die Sozialhilfe leistete eine Sonderzahlung für ein paar
neue Sachen zum Anziehen, und das Wohnungsamt verschaffte mir vorübergehend ein Zimmer in einem Obdachlosenheim. Ich hasste es. Über dem ganzen Haus hing eine
Aura der Hoffnungslosigkeit. Ein Mädchen saß den ganzen
Tag lang mit dem Kopf in den Händen auf der Treppe. Sie
war immer da. Man musste um sie herumgehen. Soweit ich
wusste, saß sie auch die ganze Nacht über dort. Die Leute,
die das Haus unterhielten, waren hauptsächlich Freiwillige.
Sie meinten es gut, doch sie hatten jene Art wasserdichter
Zuversicht, die mich in den Wahnsinn treibt. Ich dachte,
dass ich genauso verrückt werden würde wie die arme Kreatur auf der Treppe, wenn ich nicht so bald wie möglich wieder von hier verschwand.
Dann, aus heiterem Himmel, erhielt ich Besuch. Schwester Helen.
»Wie geht es Ihnen, Fran?«, fragte sie und blickte sich in
dem winzigen kahlen Zimmer mit der harten Pritsche um,
deren hellrote Bettdecke lediglich den Zweck erfüllte, die
Aufmerksamkeit vom Fehlen jeglichen anderen Mobiliars
und den verschrammten Wänden abzulenken.
»Ich lebe«, sagte ich.
Sie lächelte. »Sie würden gerne hier ausziehen, das kann
ich mir denken. Ich habe einen Vorschlag für Sie. Ich habe
eine Freundin, die bei einer wohltätigen Organisation mitarbeitet. Sie kaufen Häuser, renovieren sie, teilen sie in kleine Wohnungen auf und vermieten sie zu sehr fairen Preisen
an geeignete junge Leute ohne eigene Wohnung. Natürlich
arbeiten sie nur in kleinem Maßstab und haben nur wenig
Wohnraum anzubieten, doch zufällig ist im Augenblick eine
Wohnung frei, und als ich ihnen Ihre Umstände erklärte,
dachten sie sofort, dass Sie eine sehr geeignete Mieterin wären. Möchten Sie mitkommen und sich die Wohnung ansehen?«
Und ob ich wollte!
Ich nahm Ganesh mit, als ich zur Besichtigung fuhr. Mir
blieb offen gestanden gar keine andere Wahl. Nach meinem
Beinahe-Desaster mit Norman vertraute Ganesh nicht mehr
darauf, dass ich eine selbstständige Entscheidung bezüglich
meines Zuhauses zu treffen im Stande war.
Das Haus war spätviktorianisch, mit einer hübschen Fassade, und in fünf Wohnungen aufgeteilt. Die mir angebotene Wohnung lag im Erdgeschoss. Sie bestand im Grunde
genommen aus einem einzelnen großen Zimmer, das durch
das Einreißen einer Wand zwischen zwei kleinen Zimmern
entstanden war. Es gab eine Kochnische mit einer Esstheke
und eine abgetrennte Dusche mit Toilette. Das Mobiliar war
einfach, ein Bett, ein Tisch, vier Stühle und jede Menge Einbauschränke. Selbst Ganesh gefiel es.
Wir kehrten zum Laden zurück, und ich ging gleich weiter zum Büro der Gesellschaft, um den Vertrag aufzusetzen.
Sobald ich unterschrieben hatte, schüttelte mir der Verantwortliche die Hand und hieß mich »willkommen bei unserer Schar«, was ich ein wenig unheimlich fand. Dann übergab er mich der Obhut einer kompetent aussehenden Frau
vom Schlage Schwester Helens, die mich zu einem Lagerraum voll gespendeter Decken, Töpfe, Pfannen, Geschirr
und Besteck führte. Sie half mir zu entscheiden, was ich für
den Anfang brauchte, und versprach dann, dass alles zu
meiner neuen Wohnung gebracht werden würde.
Als ich wieder auf die Straße trat, konnte ich mein Glück
kaum fassen. Es hatte
Weitere Kostenlose Bücher