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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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wahrscheinlich der Küche, drang der Geruch von garendem
Gemüse. Durch eine offene Tür, die in den erleuchteten
Raum zur Linken führte, erblickte ich Unmengen von Zeitungen. Sie lagen überall, quollen aus Schachteln und Kartons und stapelten sich meterhoch auf jeder freien Fläche.
»Komm mit«, sagte Norman einladend.
Ganesh hatte Recht. Ich musste wahnsinnig sein.
»Ich biete meine Zimmer nicht jedem an, glaub mir«,
sagte Norman, während er über die knarrende Holztreppe
voraus nach oben ging. »Ich muss jemanden schon gut leiden können.«
Hilfe! Vielleicht war es besser, wenn ich mich abwandte
und floh. Die Treppe roch nach Mäusen. Ich habe in vielen
alten Häusern gewohnt, und ich erkenne den Geruch augenblicklich. Mäuse, hatte man mir gesagt, haben keinen
Muskel, um ihren Urin zu kontrollieren. Sie pinkeln ununterbrochen.
Wir waren auf dem Absatz angekommen. Vier Türen
führten von hier weg, eine links, eine rechts und zwei geradeaus. Norman zog einen Schlüsselbund von der Sorte aus
der Hosentasche, wie Gefängniswärter ihn bei sich tragen,
wählte einen Schlüssel aus und gestikulierte damit zu einer
der beiden Türen vor uns. Bevor er aufschließen konnte,
flog die Tür zur Rechten auf und hervor trat der haarigste
Mann, den ich je in meinem Leben gesehen habe.
Trotz der Kühle im Haus trug er lediglich ein ärmelloses
Unterhemd über seiner Jeans. Er war unrasiert, und die
dichten schwarzen Augenbrauen trafen sich auf seiner Nasenwurzel, sodass sie eine durchgehende Linie bildeten.
Weiteres schwarzes Haar wuchs auf seinen Schultern, an
seinen Armen und brach auf der Brust in einem dichten
Wald aus dem Halsausschnitt seines Unterhemds. Es wuchs
bis hinauf zu seinem Hals und ging in den Bart über. Seine
nackten Füße steckten in Flipflops, und selbst seine Zehen
waren behaart. Säuerlicher Schweißgeruch stieg mir in die
Nase, obwohl ich noch einige Meter von ihm entfernt stand.
Er deutete mit dem Finger auf mich und fragte mit heiserer
Stimme und starkem Akzent: »Wer ist das?«
»Keine Sorge, Zog, sie ist in Ordnung«, antwortete Norman. »Sie ist eine junge Lady, die wegen des Zimmers gekommen ist, weiter nichts.«
Warum beschrieb er mich nicht gleich als köstlichen Leckerbissen? Zog starrte mich unter seinen buschigen Augenbrauen hervor wild an.
»Mach dir keine Gedanken wegen Zog«, wandte sich
Norman an mich. »Fremde regen ihn auf, das ist alles. Er
hat Angst vor der Einwanderungsbehörde, verstehst du?«,
flüsterte er. »Er denkt, sie würden ihn verfolgen und aufspüren. Er ist eine zaghafte Seele. Vor ein paar Nächten kam er
in einem schrecklichen Zustand nach Hause. Irgendjemand
war direkt neben ihm an den Straßenrand gefahren und
hatte angehalten, als er auf dem Heimweg war. Ich schätze,
der Fahrer hatte sich verirrt und wollte bloß nach dem Weg
fragen, aber der arme Zog gab sofort Fersengeld. Er war in
einer solchen Panik, dass er in die Sackgasse bei den Garagen rannte, wo du im Augenblick wohnst. Das machte es
nur noch schlimmer, wie du dir denken kannst. Er flüchtete
weiter, und als er endlich hier ankam, zitterte er am ganzen
Leib wie Espenlaub.«
Nun, das erklärte zumindest eine Sache. Jetzt wusste ich,
wer vor einigen Tagen draußen vor den Garagen gewesen
war. Es war nicht Rennie Duke gewesen. Wenn man illegal
in das Land gekommen war, dann gab es eine Menge, wovor
man Angst haben musste – und man musste schon ziemlich
verzweifelt sein, um sich überhaupt hinten in einem Lastwagen hereinzuschmuggeln.
»Er kam von der Arbeit«, fuhr Norman fort. »Er arbeitet
nachts, als Putzhilfe. Er fühlt sich sicherer nachts. Er geht
tagsüber nicht oft vor die Tür.«
»Keine Sorge«, sagte ich zu Zog, doch er zuckte bereits
beim Klang meiner Stimme heftig zusammen und sah aus,
als wollte er die Treppe hinunterrennen und fliehen. Hastig
bat ich Norman, ihm zu sagen, dass ich selbst das Kind ungarischer Einwanderer wäre und definitiv wüsste, wie er sich
fühlte.
»Siehst du«, sagte Norman. »Du wirst schon zurechtkommen hier.« Und an Zog gewandt fuhr er mit lauter
Stimme fort: »Hast du gehört? Du und die junge Lady hier,
ihr habt eine Menge gemeinsam.«
Das hatte ich eigentlich nicht sagen wollen.
Zog grunzte, kratzte sich am Brusthaar und trottete in
sein Zimmer zurück.
Norman sperrte die Tür vor uns auf und schaltete die Innenbeleuchtung ein, und volle vierzig Watt leuchteten aus
einer alten Fassung oben an der Decke auf uns herab.

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