Granger Ann - Varady - 04
Ich weiß nur, dass andere
sich vielleicht für das Baby Miranda Varady interessieren
könnten.«
»Aber warum denn?«, fragte sie verwirrt. »Wer?«
»Duke hat möglicherweise der Polizei einen Tipp gegeben. Es könnte sein, dass die Polizei zu dir kommt, Mutter,
und wissen will, was mit dem Baby passiert ist.«
Ich war sicher, dass sie in Panik geriet. Ich wollte sogar
schon um Hilfe läuten. Doch merkwürdigerweise schien sie
sich bei dem Wort »Polizei« zu entspannen. »Ach, die Polizei«,
sagte sie. »Wegen der Polizei mache ich mir keine Sorgen.«
»Nicht?«, fragte ich überrascht.
»Aber natürlich nicht, mein Liebling! Was kann die Polizei mir schon tun? Sie kann mich nicht zwingen, Fragen zu
beantworten. Sie kann mich nicht verhaften. Sie kann mich
nicht mitnehmen und ins Gefängnis stecken.« Sie stieß ein
leises, glucksendes Lachen aus. »Sie kann mir überhaupt
nichts tun, Fran.«
Ich wusste keine Antwort. Ich saß schweigend da und
wartete. Sie hörte auf zu lächeln und blickte mich stirnrunzelnd an.
»Aber Rennie, das ist etwas anderes. Du musst Rennie
aufhalten.«
»Er kann keinen Schaden mehr anrichten«, sagte ich gedankenlos.
Ihre Augen leuchteten plötzlich auf, als sie begriff. »Er ist
tot, habe ich Recht? Rennie ist irgendwas zugestoßen!«
Also hatte ich letzten Endes ungeschickt die Katze selbst
aus dem Sack gelassen. Andererseits hätte ich nicht gewusst,
wie ich ihr die Nachricht sonst hätte überbringen sollen. Ich
war davon ausgegangen, dass sie ihn als eine Art Freund betrachtet hatte. »Er hatte einen Unfall«, berichtete ich.
Ich überlegte, ob sie fragen würde, was für eine Art von
Unfall, und war bereit, einen Autounfall vorzuschieben,
doch sie fragte nicht. Sie schien nicht sonderlich überrascht.
Sie hatte ihn gekannt. Sie hatte gewusst, dass er oft über das
Ziel hinausgeschossen war und sich einen Nebenverdienst
geschaffen hatte.
Sie lehnte sich auf den Kissen zurück, und ihre Finger
zupften geistesabwesend an ihrem Nachthemd. »Der arme
Rennie«, sagte sie. »Ich wusste, dass ich ihm nicht vertrauen
durfte. Aber jetzt kann er mir nichts mehr tun.« Und sie lächelte.
Mir gefror das Blut in den Adern.
Als ich aus Egham zurück war, zeigte die Uhr halb zwei, und
ich hatte zwei Stunden Zeit vor meiner Verabredung mit
Mrs Marks. Ich konnte nach Soho gehen und versuchen,
mit Mickey Allerton zu reden. Susie Duke hatte erzählt, dass
er über Mittag immer in seinem Club war. Vielleicht erwischte ich ihn ja.
Der Silver Circle Club lag in einer schmalen Seitenstraße,
eingekeilt zwischen einem Restaurant auf der einen und einem Sexshop auf der anderen Seite. Die Fassade des Clubs
war geschmackvoll in Schwarz und Silber gehalten, und auf
der Tür stand ZUTRITT NUR FÜR MITGLIEDER. Ein
Gentleman mit einer platten Nase und einem zu engen Anzug stand vor dem Eingang und beobachtete düster zwei
Tauben, die an irgendetwas auf dem Bürgersteig pickten.
Ich atmete tief durch und ging zu ihm. Er musterte mich
wortlos von oben bis unten, als wäre ich ebenfalls eine Taube. Ich erklärte höflich, dass ich mich auf ein Wort mit Mr
Allerton unterhalten wollte, falls er in seinem Büro wäre.
»Wir stellen keine neuen Mädchen ein«, sagte der Türsteher.
»Ich suche keinen Job«, erklärte ich.
Er musterte mich erneut von Kopf bis Fuß. Leidenschaftslos. »Ist auch egal. Du hast nicht die richtige Figur.«
»Lassen Sie doch bitte die persönlichen Bemerkungen«,
entgegnete ich. »Kann ich mit Mr Allerton reden?«
»Worum geht es?«
»Ich stelle ein paar Nachforschungen an. Ich bin eine Art
Privatdetektiv.«
»Was, du?« Er schien einigermaßen amüsiert über meine
Behauptung.
»Ja, ich.« Ich zückte Rennie Clarkes abgewetzte Visitenkarte. »Unsere Agentur hat in der Vergangenheit schon häufiger für Mr Allerton gearbeitet.«
Er warf einen Blick auf die Karte. »Ich fasse es nicht, die
Welt geht wirklich vor die Hunde. Aber spielt keine Rolle,
Mr Allerton ist sowieso nicht da.«
»Kann ich ihm eine Nachricht hinterlassen?«
»Nein. Ich nehme keine Nachrichten entgegen. Gehört
nicht zu meinem Job.«
Ich hätte an dieser Stelle vielleicht aufgegeben, hätte nicht
genau in diesem Moment ein Taxi am Straßenrand gehalten.
Das Verhalten des Türstehers änderte sich von einer Sekunde
zur anderen, und er wurde aufmerksam wie ein mörderischer
Jagdhund. Er schoss vorwärts, verscheuchte die Tauben und
riss den Wagenschlag auf. Ein beleibter, gut gekleideter Mann
in
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