Granger Ann - Varady - 05
Tapfersten von der einheimischen Kripo. Der Mann, der
sich Ganeshs Meinung nach Hoffnungen machte, der Mann
in meinem Leben zu werden. Nicht in einer Million Jahren.
Er hatte sich nicht verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Rote Haare, ein struppiger Schnurrbart und ein
abscheuliches Jackett.
»Gehen Sie weg«, sagte ich zu ihm. Parry ist nicht feinfühlig, und es war sinnlos, ihm gegenüber höfliche Andeutungen zu verwenden. Reine Zeitverschwendung.
»Ja, ich find’s auch nett, Sie mal wiederzusehen, Fran«,
entgegnete er. »Wie geht’s denn so?«
»Beschissen«, antwortete ich. »Ich habe eine Erkältung,
und ich bin auf dem Weg nach Hause.«
Er blickte besorgt drein. »Sie sehen ein wenig mitgenommen aus. Was ist das für eine Geschichte, die mir zu Ohren
gekommen ist? Sie spielen bei einem Theaterstück mit?«
Lieber Gott, erspar mir das. Er würde doch wohl nicht
auch noch kommen?
»Mir geht es wirklich nicht besonders gut«, sagte ich. Das
entsprach sogar mehr oder weniger der Wahrheit. »Ich kann
nicht stehen bleiben und ein Schwätzchen mit Ihnen halten,
okay?« Ich ging entschlossen weiter.
»Das ist zu schade«, sagte Parry und ging neben mir her.
Ich sagte Ihnen ja, er war nicht feinfühlig. »Weil Ihr Name
nämlich rein zufällig heute Morgen erwähnt wurde, und wir
haben uns gefragt, ob Sie vielleicht einen Augenblick Zeit
hätten, um bei uns vorbeizukommen und mit dem Inspector zu reden. Inspector Morgan, Sie wissen schon.«
Janice Morgan war die beste Kriminalbeamtin, die mir je
begegnet war, doch das machte mich noch lange nicht zu
einem Fan, und ich hatte absolut keine Lust, zur Wache zu
rennen und mit ihr zu plaudern. Doch die Tatsache, dass sie
mich ausgerechnet jetzt sprechen wollte, ließ bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen.
»Ich weiß nicht, was in Ihnen vorgeht, aber solange Sie
mich nicht verhaften, gehe ich ganz bestimmt nicht freiwillig in die Nähe einer Polizeiwache«, erklärte ich ihm. »Soweit ich weiß, habe ich kein Verbrechen begangen, das eine
Verhaftung rechtfertigen würde; also lassen Sie mich in Ruhe, und ziehen Sie Leine!«
»Sie müssen nicht gleich so unfreundlich werden«, sagte
er tadelnd. »Wo wohnen Sie eigentlich jetzt?«
Ich nannte ihm meine Adresse. Wenn sie wussten, wo sie
mich finden konnten, hatten sie erst recht keinen Grund,
mich auf die Wache mitzunehmen.
»Ich sag’s Inspector Morgan«, sagte Parry. »Sie sollten
was gegen Ihre Erkältung unternehmen. Es macht Sie übellaunig.«
Er entblößte sein gelbes Gebiss und zog Gott sei Dank
endlich davon. Leute wichen ihm aus, um ihm nur ja nicht
in die Quere zu kommen. Das liegt nicht daran, dass Parry
irgendwie gefährlich aussieht, sondern daran, dass er aussieht wie ein Kriminaler.
Ich trottete weiter nach Hause, während ich überlegte,
was ich die nächsten achtundvierzig Stunden unternehmen
sollte, während ich meine ›Erkältung‹ auskurierte.
Eine eigene Wohnung zu haben war von Anfang an ein gutes Gefühl gewesen. Jetzt war es noch mehr als gut. Es war
tröstend und gab mir Sicherheit. Das hatte wahrscheinlich
etwas mit der Sehnsucht des Menschen zu tun, in den Mutterleib zurückzukehren. Es war ein Ort, an den ich mich
flüchten konnte, ein Unterschlupf, ein Versteck. Ich war
drinnen, und die anderen waren draußen: Mario und der
Rest der Mannschaft von der Pizzeria, Parry und die anderen Lakaien des Gesetzes, der flüchtige, finstere Max und
der unbekannte Besitzer der Hand, die Ion vom Bahnsteig
gestoßen hatte.
Ich machte mir eine Tasse Tee und schaltete den Fernseher ein. Bonnie war draußen im Garten hinter dem Haus.
Garten war vielleicht ein wenig übertrieben – es war eine
ungemähte Grasfläche mit den Überresten eines AndersonBunkers aus dem letzten Krieg am anderen Ende. Erwin
hatte mir versichert, dass es im Sommer ein fantastischer
Platz für ein Barbecue sei. Im Winter zog es nur Bonnie
nach draußen. Ich stand im Begriff herauszufinden, dass ich
mir keine Sorgen hätte machen müssen, einsam zu sein. Es
war auch falsch gewesen anzunehmen, dass ich imstande
war, mich von der Welt da draußen auszuschließen.
Gegen vier Uhr läutete es an meiner Tür. Halb erwartete
ich, dass Susie draußen stand. Eine weitere Fahrstunde war
das Allerletzte, was ich jetzt wollte, und ich bereitete mich
innerlich auf ein entschiedenes Nein vor; doch als ich durch
die Vorhänge nach draußen spähte, sank meine Stimmung
noch weiter. Inspector
Weitere Kostenlose Bücher