Granger Ann - Varady - 05
Doyle –, er macht sich
kaputt vor Arbeit.«
»Was ist mit dem Hund?«, fragte sie. »Es ist doch Der
Hund von Baskerville , oder nicht?«
Ach du meine Güte, ja. Sie hatte ihre Hausaufgaben wirklich gründlich gemacht. Ich erzählte ihr, dass wir einen
Hund hätten. Er sei trainiert worden, das zu tun, was erforderlich sei, und wir hätten es ausprobiert. Ich verstummte,
während ich darauf wartete, dass sie das nächste Thema anschnitt. Sie interessierte sich für das Stück, doch das war
nicht der Grund, warum sie zu mir gekommen war; dessen
war ich sicher. Ich fragte mich, wann sie endlich zur Sache
kommen würde.
»Sie haben offensichtlich eine Menge zu tun«, stellte sie
fest. »Wirklich schade mit Ihrer Erkältung. Sie arbeiten immer noch in dieser Pizzeria, nehme ich an?«
Mir sträubten sich die Nackenhaare. »Das ist richtig. Ich
kann in meinem Zustand keine Kundschaft bedienen; also
hab ich mich krankgemeldet.« Ich vergaß nicht, an dieser
Stelle einen hübschen kräftigen Nieser einzubauen, um ihr
zu zeigen, dass ich nicht schauspielerte. Ich glaube zwar
nicht, dass die Morgan darauf reinfiel, doch sie war bereit,
das Spiel mitzuspielen.
»Gesundheit!«, wünschte sie mir höflich. »Sergeant Parry
hat Ihnen sicherlich gesagt, dass ich mich mit Ihnen unterhalten möchte.«
Ich murmelte bestätigend und sagte ihr, dass Parry nicht
erwähnt hatte, worum es ging.
»Sie sind nicht neugierig, es herauszufinden?«
»Nein«, antwortete ich. »Ich wollte nur nach Hause und
endlich ein Aspirin nehmen.«
Sie trommelte mit den Fingern auf die Armlehne des Sofas, während sie mich aus hellblauen Augen musterte. »Ihre
Familie stammt aus Ungarn, richtig?«
Ich nickte. »Meine Großeltern sind 1956 nach England
gekommen, nach dem Aufstand in Ungarn, mit meinem
Dad als kleinem Baby. Ich habe meinen Großvater nie gekannt. Er starb ungefähr zu der Zeit, als ich geboren wurde.
Er war Arzt.«
Ich wusste, dass ich müde klang, und ich fühlte mich
auch so. Morgan hatte soeben ihre erste Karte auf den Tisch
gelegt.
»Ein sicherer Ort. Das ist eine Phrase, die sehr häufig benutzt wird. Junge Menschen in Schwierigkeiten können an
einen sicheren Ort gebracht werden, gefährdete Zeugen …
Wenn Sie Flüchtling wären wie Ihre Großeltern, auf der
Flucht vor einer Besatzungsarmee, hätte eine Phrase wie ›ein
sicherer Ort‹ eine richtig ernste Bedeutung.«
Ich sparte mir die Antwort. Sie würde sowieso weiterreden.
Ich hatte eine vage Vermutung, wohin das führen würde, und
ich fühlte mich nicht besonders wohl bei dem Gedanken.
»Doch Ihre Großeltern«, fuhr die Morgan fort, »Ihre
Großeltern kamen auf legalem Weg nach Großbritannien.
Sie mussten sich nicht verstecken, nachdem sie hier angekommen sind. Sie mussten keine falsche Identität annehmen. Sie mussten nicht jedes Mal davonlaufen, wenn sie einen Polizisten sahen. Sie waren nicht auf Gedeih und Verderb einer organisierten Bande ausgeliefert, und sie schuldeten keinen Leuten Geld, die vor nichts zurückschrecken, um
die Zinsen einzutreiben. Es gibt eine Menge Leute in London und anderen großen Städten in diesem Land, die illegal
nach England eingereist sind. Aber das wissen Sie sicherlich.
Es kommt praktisch ständig in den Nachrichten.« Sie nickte
in Richtung meines Fernsehers.
»Ja«, sagte ich nur.
»Diese Menschen, die Illegalen, sie genießen keinerlei
Schutz durch das Gesetz. Es gibt niemanden, an den sie sich
wenden könnten, wenn die Dinge nicht so gut für sie laufen.
Diese Leute ins Land zu schmuggeln ist ein großes Geschäft,
und die kriminellen Organisationen, die es betreiben, sind
sehr effizient und sehr unangenehm. Sie sind außerdem
skrupellos.« Sie verstummte und schaute mich erwartungsvoll an.
Offensichtlich erwartete sie einen Kommentar von meiner Seite. »Was hat das alles mit mir zu tun?«, fragte ich.
»Nichts, soweit ich weiß.« Sie lächelte mich an. »Oder
doch?«
»Natürlich nicht! Wie könnte es!«, schnappte ich entrüstet. Ich hatte allmählich genug von diesem Katz-und-MausSpiel. Morgan war gut darin und konnte es so lange weiterspielen, wie sie wollte. Sie wusste, dass ich früher oder später
wahrscheinlich wütend genug sein würde, um irgendetwas
zu sagen, das ich nachher bereuen würde. Diesmal jedoch
war ich fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass es so weit
kam. »Was wollen Sie?«, fragte ich. »Warum sind Sie hier?
Ich bin krank, und Sie schikanieren mich!«
Sie sah mich an, als hätte
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